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Türken in CDU eingewandert

CDU-nahe MigrantInnenorganisation hat Kindervisumspflicht, konservative Werte und Hamburger Christdemokraten liebgewonnen  ■ Von Silke Mertins

Bekennt sich die Hamburger CDU zu Deutschland als Einwanderungsland? „Wenn Sie es unbedingt so nennen wollen“, zickt Bürgerschaftsabgeordneter Ulrich Karpen, der nicht gerade für seine liberalen Überzeugungen bekannt ist. Er selbst sei „für Pluralität“.

Zu seiner Rechten und Linken saßen gestern im Rathaus der Unternehmer Yavuz Derman und Kunstfreundin Jerfi Hein, beide Mitglieder der neugegründeten CDU-nahen MigrantInnenorganisation „Deutsch-Türkische Interessensgemeinschaft“.

Gemeinsam wollte man den MedienvertreterInnen, die bisher „unvollständig berichtet“hätten, über die Vorzüge der neuen Visumspflicht für Kinder aufklären. Die Verordnung aus dem Hause des Bundesinnenministers Manfred Kanther (CDU) sei nämlich keine Schikane. Im Gegenteil: Sie diene der Integration. Nur seien „die positiven Auswirkungen völlig in den Hintergrund gedrängt“worden, schimpft Karpen. Und verlangt vom Hamburger Ausländerbeauftragten Günter Apel, der die Verordnung als „Rückschlag“bezeichnet hatte, künftig „konstruktiver mitzuwirken“.

Nach CDU-Lesart ist die neue Visumspflicht für Kinder aus den ehemaligen Anwerbeländern keine Benachteiligung. Vielmehr hätte man die bisherige Privilegierung dieser Ausländergruppen im Rahmen der europäischen Harmonisierung aufgeben müssen. Es handle sich also um eine Gleichstellung mit einem „Anti-Diskriminierungs-Effekt“. Der besteht laut Hein darin, daß künftig türkische Kinder mit deutschem Pflicht-Visum für eine Klassenfahrt innerhalb der EU kein weiteres Visum mehr brauchen: „Da sind dann alle gleich“, freut sie sich.

Außerdem, ergänzt Yavuz Derman, habe mit der Neuregelung endlich „der Mißbrauch ein Ende“. Alle Kinder aus den Ex-Anwerbeländern, die bisher nicht hier gemeldet sind und quasi nicht legal hier leben, erhielten somit „eine Amnestie“. Die beiden Eingewanderten türkischer Herkunft haben gut reden: Sie sind eingebürgert.

Hein fühlt sich in den großen MigrantInnenorganisationen wie der Türkischen Gemeinde in Deutschland oder dem Bündnis Türkischer Einwanderer, die die Vismuspflicht als gefährliche Ausgrenzung anprangerten, „politisch“nicht aufgehoben. Sympathischer sei ihr die „konservative Familienführung“und die „Wirtschaftspolitik“der CDU. Auch Derman gefällt das „Jammern und Klagen“anderer Migranten nicht. Eine eigene Interessensvertretung mußte her.

Gemeinsam will man nun für mehr Verständnis und gegen die „unerträglichen Warte- und Bearbeitungszeiten“der Hamburger Ausländerbehörde kämpfen. Die Türken seien ein „unverzichtbarer Teil unserer Gesellschaft“, der zur „wirtschaftlichen Stabiltät“beitrage, so Karpen. Deshalb sollten sie sich verstärkt einbürgern lassen. Und dann CDU wählen.

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