: Folter im Knast
■ Schwere Vorwürfe im Schlußbericht der Kripo
Der 33 Seiten starke „Schlußbericht“der Staatsanwaltschaft und der Kripo über ihre Ermittlungen in der Justizvollzugsanstalt liest sich wie das Drehbuch zu einem Horror-Film. „Täter“sind aber nicht die in der Untersuchungs-Haftanstalt einsitzenden Täter, Drogendrealer und Sexualstraftäter, sondern deren Bewacher, die beamteten Verwalter des rechtsstaatlichen Strafanspruchs. Vorfall vom 17.1.1996, zum Beispiel: Die Justizbeamtin Sandra B. erzählt Kollegen, „ihr würde immer noch das Handgelenk wehtun, so habe sie reingeschlagen“. Ihr Kollege Jürgen N. zu dem Häftling Hakki B.: „Jetzt gehst Du ab, Du blöde Sau.“B. wird von Beamten festgehalten, derweil schlagen andere auf ihn ein – „so unkontrolliert“, daß der Beamte K. eins abkriegt.
Dann bekommt der Häftling den Befehl, sich auszuziehen und Anstaltskleidung anzuziehen. Er weigert sich, wird gewaltsam von den Männern entkleidet. „Dabei wirken andere Beamte, unter ihnen Frau B. weiter mit dem Schlagstock auf ihn ein. Bevor er nackt ist, hat Frau B. allerdings die Zelle verlassen“, ermittelte die Kripo.
23 solcher Fälle hat die Kripo in mühevoller Arbeit zusammengertragen, gegen zehn Beamte laufen die Vorwürfe. „Haare ausgerissen“, „Tritt in die Niere“, „Verletzungen am Auge“, „Striemen am Hals“, „am Kehlkopüf gepackt und gewürgt“: Die Liste der Gewaltformen ist lang. Auffällig sei, wie „willkürlich“die Beamten da vorgegangen seien, schreibt die Kripo. Einer der Häftlinge ist wegen Selbstmordgefahr nach den Mißhandlungen in psychiatrische Behandlung gekommen. Die meist türkischen Gefangenen haben die „Schicht 2“der JVA-Angestellten, der die Prügeleien zuzuordnen sind, „Gruppe Tim“genannt – nach einer berüchtigten Einheit der türkischen Sicherheitspolizei. „Der Fall Bukan kann als eine Art Folter bezeichnet werden“, faßt die Kripo zusammen. Nur die „Spitze des Eisbergs“sei zu ermitteln gewesen, schreibt die Kripo, es gebe vage Hinweise auf zehn weitere Fälle. Noch heute trauen sich viele der mißhandelten Häftlinge nicht, auszupacken – aus Angst vor weiteren Repressalien hinter den Gefängnismauern. Das „Dunkelfeld“sei auch deshalb besonders groß, weil die Hauptbeschuldigten Sandra B. und Jürgen N. zusammen Nachtschichten geleistet hätten.
Und die Anstaltsleitung? Auch darüber weiß die Kripo zu berichten. Bei dem Beamten N. habe man einen der Vorfälle als „Anzeige“des Häftlings in der Personalakte abgeheftet gefunden – ohne Konsequenzen. Auch in anderen Fällen, die der Anstaltsleitung zu Ohren gekommen sein müßten, habe es keine Reaktion gegeben. „Da aber nie eine Reaktion durch die Anstaltsleitung erfolgte, habe man von weiteren Beschwerden abgesehen“, so faßt die Kripo Aussagen von U-Häftlingen zusammen. Und da die Anstaltsleitung auch in den Fällen, in denen sie nachweislich klare Informationen hatte, nicht Anzeige erstattet hat, ermittelt die Staatsanwaltschaft seit dem November 1996 gegen die Anstaltsleitung der JVA selbst.
Einer der Hauptbelastungszeugen, Hakki B., konnte am Montag fliehen. Während eines „Begleitausgangs“war der Bewacher zur Toilette gegangen. Als er wiederkam, war der Strafgefangene weg.
Gestern türmte ein zweiter Belastungszeuge, er kam aus seinem Hafturlaub nicht zurück. K.W.
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