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Trotzkopf Schröder

■ Energiekonsens gegen Nordrhein-Westfalen

Mehr Herz für Technik und die Besserverdienenden, Ruhe für die Wirtschaft und weniger staatliche Fürsorge – das sind die Vorgaben, mit denen Kanzlerkandidaten-Kandidat Gerhard Schröder die für ihn „offene Programmfrage“ der SPD beantwortet sehen will. Solchen Stichworten, mit denen Schröder den deutschen Tony Blair zu mimen sucht, soll nun eine erste innerparteiliche Entscheidung folgen. Energiekonsens à la Schröder.

Der niedersächsische SPD-Vorsitzende hat die Einigung über Atomkraft und Entsorgung mit der Bundesregierung keineswegs abgeschrieben. Mit Schröders Konsens soll technik- und wirtschaftsfreundlich der Abschied vom SPD-Ausstiegsbeschluß realisiert werden. Notfalls will er diesen Konsens im Alleingang Niedersachsens mit der Bundesregierung vereinbaren.

Schröders Konsensvorschlag kommt als Kompromiß daher, in dem anscheinend beide Seiten nur ihre gegensätzlichen Standpunkte festschreiben: die SPD den Willen zum schnellen Ausstieg, die Bundesregierung das Bekenntnis zur Zukunft der Atomkraft. In Wahrheit folgt Schröders Papier der Maxime: Es darf beim SPD-Ausstiegsbeschluß bleiben, nur umgesetzt werden darf er nicht. Abstrakt wird der Ausstiegswille postuliert, konkret ist vom Bestandsschutz für die bestehenden AKW die Rede.

Diese Fortschreibung des 17 Jahre alten Entsorgungskonzepts will die AKW-Industrie jetzt, weil 1998 womöglich doch ein Regierungswechsel droht. Auch eine rot-grüne Bundesregierung soll die Entsorgungsfrage nicht als Ausstiegshebel ansetzen können.

Ein veritabler Sprengsatz ist Schröders Papier für die rot-grüne Koalition in NRW. Den schlichten Rollentausch bei der Zwischenlagerung von Gorleben nach Ahaus können die nordrhein- westfälischen Grünen nicht hinnehmen. Für die kommende Auseinandersetzung im SPD-Präsidium über den Schröder-Vorschlag läßt dies hoffen, schließlich sind in NRW mehr Sozialdemokraten zu Hause als in Niedersachsen.

So kann man Schröders Drohung mit einem Separatkonsens auch als vorgenommenes Eingeständnis seines erneuten Scheiterns werten. Dreimal hat er schon versucht, seiner Partei die Ausstiegsflausen auszutreiben. Jetzt ruft er trotzig: „Dann mach ich's eben alleine.“ Jürgen Voges

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