„Das Team zerbricht“

Abschiebung bosnischer Flüchtlinge bedroht Amateurclub in Wilhelmsburg, nicht aber den HSV  ■ Von Matthias Greulich

Die Fußballer des Wilhelmsburger Sportvereins von 1893 sitzen in ihrem Stammcafé zusammen. „Die Situation ist bedrückend“, sagt Nedzad Karijasevic. Er ist einer von zehn WSVern, die nach dem Willen der Behörden bis Ende August nach Bosnien abgeschoben werden sollen. Wie die meisten der Wilhelmsburger Fußballer gehört er zur Gruppe derjenigen Bosnier, die als erste zurück müssen: Ledige oder Paare ohne Kinder. Als erster soll Kapitän Fadil Celikovic (34) nach dem Willen der Hamburger Ausländerbehörde bereits an diesem Montag „rückgeführt“werden.

„Das Team zerbricht“, befürchtet der 48jährige Betreuer Rasim Islamovic, der 1969 aus dem damaligen Jugoslawien nach Deutschland kam. Vor drei Jahren baute der Schweißer das Team auf, jetzt muß er es wahrscheinlich abmelden. Vierzehn Bosnier spielen in der zweiten Mannschaft des WSV. Mit den wenigen verbliebenen Spielern ließe sich der Spielbetrieb nicht mehr aufrechterhalten.

Die Duldung des 21jährigen Karijasevic läuft noch bis zum 27. August. In seinen Geburtsort Bjeljina kann er nicht zurück. Die Gegend gehört inzwischen zum serbischen Gebiet. Kein unlösbares Problem, heißt es bei der Ausländerbehörde: „Die Leute müssen sich in Bosnien nach einer inländischen Alternative umschauen“, sagt deren Sprecher Norbert Smekal. Dieser Hinweis hilft Karijasevic herzlos wenig. „Ich weiß nicht, wo ich hin soll.“Zur Zeit lebt er in Lurup – zusammen mit Mutter, Großmutter und seinen beiden Schwestern.

Karijasevic hat Bekannte in Tuzla. Die erzählen ihm regelmäßig alles über die Situation in Bosnien. „Es gibt keine Arbeit und keine Wohnungen“, sagt der Stürmer, der Angst davor hat, „dumm angemacht zu werden.“Die Rückkehrer sind bei vielen nicht wohlgelitten, weil sie die Bürgerkriegs-Flüchtlinge als Deserteure ansehen. Wenigstens wird in Tuzla nicht mehr gekämpft. „Die Lage ist ruhig“, hat Karijasevic gehört.

Die Spieler des WSV 93 wollen „mindestens noch ein Jahr in Deutschland bleiben“, so Karijasevic, „am liebsten für immer“. Und das, obwohl ihre Lebensbedingungen in Containerdörfern oder beengt bei Verwandten alles andere als gut sind. Viele Spieler gehen abends für zwei Stunden putzen. „Für 11,30 Mark in der Stunde“, berichtet Karijasevic. So bleibt nur einmal wöchentlich Zeit zum Training, „obwohl uns nur Fußball interessiert“.

Der Verein kann auf die Fußballer aus Bosnien nicht mehr verzichten, in der Zweiten des WSV spielen lediglich zwei Deutsche. Die Mannschaft ist sehr erfolgreich, ein Unentschieden im letzten Spiel am morgigen Sonntag gegen Einigkeit Wilhelmsburg reicht für die Aufstiegsrunde zur Bezirksliga. So weit oben spielen im Stadtteil nur zwei Teams, der TV Jahn und die Erste des WSV. Die kickt sogar in der Landesliga, häufig müssen Spieler der Zweiten dort aushelfen.

Mit der Abschiebung „wären die sportlichen Belange des Wilhelmsburger Fußballs betroffen“, schrieb der Vorstand des WSV an die Ausländerbehörde: „Wir haben keinen Ersatz.“Deren Sprecher Norbert Smekal weiß um die „schwierige Lage des Vereins“. Dennoch müßten die Flüchtlinge zurück. „Daran ändert auch nichts, daß die Bosnier erfolgreich Fußball spielen.“

Um bleiben zu dürfen, muß man schon in der höchsten deutschen Klasse kicken. So wie der 19jährige Flüchtling Hasan Salihamidzic, der es zum Bundesliga-Spieler beim HSV gebracht hat. Ihm „tut es sehr leid“für die WSV-Kicker, die in Bosnien „wahrscheinlich große Armut“erwarte. Um seine eigene Zukunft macht sich der Profi keine großen Sorgen: „Ich habe es leichter, hier zu bleiben, weil ich beim HSV spiele.“