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Der Gesetzgeber im Jackpotfieber

■ Mit der neuen Lottoshow sollen das Glücksspielmonopol des Staats gefestigt und seine Einnahmen vermehrt werden

Das Glücksspiel ist eine Boombranche der deutschen Wirtschaft. Rund 40 Milliarden Mark gaben die Deutschen nach konservativen Schätzungen 1996 fürs Zocken, Daddeln und Tippeln aus. Das ist etwa doppelt soviel wie für Parfüm und Körperpflege, Tendenz steigend. Nicht erst seit dem Jackpotrausch im Herbst 1994 (42 Millionen waren schließlich zu gewinnen), das dem Lotto einen Umsatzzuwachs von fast zehn Prozent auf 8,8 Milliarden Mark bescherte, suchen die meisten das schnelle Geld per Lottokreuz und Superzahl.

Der Lotto- und Toto-Block genießt eine Monopolstellung auf dem deutschen Glücksspielmarkt. Sein Anteil am Nettomarktvolumen, also das, was nach Gewinnausschüttung tatsächlich in der Kasse bleibt, beträgt über 50 Prozent. Damit das auch so bleibt, wacht Vater Staat penibel über die Spielgelüste der Seinen. Glücksspiel ist grundsätzlich verboten, und wenn doch die ein oder andere Münze geworfen werden darf, dann nur nach vorheriger behördlicher Genehmigung.

Neue Spiele, neues Glück gestatten die staatlichen Stellen am liebsten nur sich selbst. Spielbanken mit staatlicher Beteiligung schießen allerorten aus dem Boden. Kaum eine Woche vergeht, in der sich nicht Politiker unter dem Vorwand, die Landeskassen füllen zu wollen, auf die Seite der Spielbanklobbyisten schlagen. Mit einigem Erfolg. Zu Beginn der achtziger Jahre gab es 17 Spielbanken in Deutschland, Anfang der neunziger Jahre mehr als vierzig, und nach der Jahrtausendwende werden es über sechzig sein.

Andere Zweige der Branche haben es weit schwerer. Fußball- und anderen Sportwetten zum Beispiel prophezeien Experten einen gigantischen Markt, wenn man sie denn zuließe. Bislang müssen Fans ihren Tip bei ausländischen Buchmachern vor allem in Österreich und England abgeben, mehr oder weniger illegal. Den erheblichen Steuerverlust nimmt der Gesetzgeber stillschweigend in Kauf, solange die eigenen Spiele nicht darunter leiden.

Inzwischen gibt es weitere Überlegungen, wie noch mehr aus der spielenden Bevölkerung herausgeholt werden kann. Das Umsatzhoch von 1994 konnte der Lotto-Block in den Folgejahren nicht ganz halten. Zwar belief sich der Gesamtumsatz 1996 noch immer bei stattlichen 8,3 Milliarden Mark, aber die Kurve geht leicht nach unten.

Digitales Lotto per Online- Schein und die große Lottoshow gelten nunmehr als das große Glücksversprechen der Staatszockerei. Darauf hätte man auch schon früher kommen können. Aber Karin Tietze-Ludwig als Lottofee entsprach über Jahrzehnte so sehr den Vorstellungen der konservativen Lottofürsten, daß sich an die Veränderung des Produktdesigns niemand so recht herantraute. Lieber die gut dotierten Posten nicht riskieren, so lautete die Devise des aufgeblähten Lotto-Verwaltungsapparts.

Wie erfolgreich Glücksspiel per Fernsehen vermarktet werden kann, muß den Lottoleuten schließlich aber doch aufgefallen sein. Die Süddeutsche Klassenlotterie (SKL) hat in Zusammenarbeit mit dem Privatsender Sat.1 und dessen Spielshow „Glücksrad“ die Spielumsätze erheblich steigern können. Allein im Geschäftsjahr 1995/96 legte man um 24,4 Prozent zu. Mit einem Gesamtumsatz von 1,65 Milliarden Mark hat die SKL bereits einen Marktanteil von neun Prozent unter den deutschen Spielanbietern.

Heribert Gensch, Werbeleiter der SKL, ist trotz dieser Erfolgserlebnisse eher bescheiden. „Wir bieten ein Nischenangebot an, das auf einen spezifischen Spielertyp setzt.“ Ganz andere Probleme mit der Lottoshow hat Norman Albers, Wirtschaftswissenschaftler und konzessionierter Buchmacher für Pferdewetten. Er sieht rechtliche Probleme auf die Lottoshow zukommen. Als Zuschauerpreise der Show will man sich am Topf der nicht abgeholten Gewinne bedienen, die bislang per Sonderausspielung wieder im Kreis der Lottospieler ausgeschüttet wurden. Per Fernsehshow sollen nun, heißt es, Spieler gewonnen werden, die zuvor gar nicht mitgespielt haben – und das sei, wenn rechtens, zumindest ungerecht. Harry Nutt

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