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Pfingstferien auf Beetnix

„Ich komme vom Uranus!“– Fünf Tage lang treffen sich 150 Kinder im Haus der Jugend in St. Georg zum intergalaktischen Kongreß  ■ Von Judith Weber

Selig das Erdenvolk auf dem Lande, dessen Nachwuchs ferientags um den Misthaufen herum Verstecken spielt. Dessen Kinder nach dem Abendbrot mit roten Bäckchen in die gestreifte Bettwäsche fallen, ohne noch Columbo sehen zu wollen. Stadtkids dagegen droht Langeweile, selbst wenn die Schule, wie über Pfingsten, eine Woche lang nicht dafür sorgt.

Raus aus Hamburg, empfehlen deshalb die einen. Weg von diesem Planeten, rät das Jugendamt Hamburg-Mitte. So treffen sich in dieser Woche etwa 150 sieben- bis 14jährige in St. Georgs Haus der Jugend zu einem „Intergalaktischen Kongreß“, organisiert von der Behörde. Denn Hamburg ist auch für Aliens eine Reise wert. „Ich komme vom Uranus“, brüllt Mirko seinem Nachbarn ins Ohr und macht vor, wie man sich dort begrüßt: Rülpsen und nach hinten umkippen. Dann muß man seinen Namen rückwärts sagen, und das ist der Moment, wo Jungaußerirdische einen Betreuer brauchen. „Okrim“spricht sich ja noch leicht, aber „Rednaxela“kann sich ohne erwachsene Hilfe nicht vorstellen.

Vielleicht geht Alexander sein Name bei der Abschlußparty in fünf Tagen leichter über die Lippen – wenn die Hörspiele aufgenommen, die Theater- und Puppenstücke eingeübt und die Masken gebaut sind. Eine Gruppe sprüht bereits Graffiti-Raumschiffe, eine andere dreht einen Dokumentarfilm zum Thema „Die Erde und ihre Bewohner“. Denn daß Menschen komisch sind, damit hat sich Projektleiter Guido Strupler abgefunden. Vom Uranus aus betrachtet scheint Radfahren durchaus lächerlich, vom Fußballspielen ganz zu schweigen. „Wir wollen die Toleranz gegenüber Anderslebenden stärken“, erklärt Strupler sein Konzept.

Daß es Außerirdische gibt, mögen die Kids nicht ausschließen. „Vielleicht sind die sogar schon da und sehen aus wie wir“, spekuliert Julia. Blödsinn, tadelt Jonas: „Die haben bestimmt einen Kopf, so groß wie das Haus hier.“Guido Strupler und die anderen LeiterInnen von Medienarbeit und Suchtprävention in der Jugendbehörde behalten ihre Vorstellungen für sich. Die Kinder sollen ihre Phantasie spielen lassen, die Workshops des Kongresses einen Gegensatz bilden zu den vorgefertigten Aliens aus „Raumschiff Enterprise“oder „Star Wars“.

Einzig Organisatorin Tina outet sich, für fünf Tage „vom Planeten Beetnix“nach Hamburg gekommen zu sein. Daher die Fühler auf ihrem Kopf und der Kugelbauch aus Pappmaché. Ihr Gesicht ist nicht weniger silbern als die Deko-Folie im Treppenhaus. An den Türen klebt meterweise schwarze Plane, Lichterketten blinken sternbildförmig. Einzige Weltall-Prominenz ist ein Enterprise-Kapitän aus Pappe. Mittags um zwölf sind die Jugendlichen sowieso zurück auf dieser Welt: Im „grünen Planeten“, einem provisorischen Bistro, gibt's dann vegetarische Vollwertkost.

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