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Aufruhr gegen Pfarrer

■ Auszüge aus einem taz-Artikel in einem Oberpfälzer Pfarrbrief bringt Bauernverband und Kirchenleitung auf die Palme

Nürnberg (taz) – Pfarrer Andreas Schlagenhaufer hatte eigentlich überhaupt nichts Böses im Sinn, als er auf der Titelseite des Pfarrbriefes seiner kleinen oberpfälzer Gemeinde Kohlberg Auszüge aus einem taz-Artikel über die Zukunft der Landwirtschaft abdruckte. Der 55jährige stammt selbst aus einer Bauernfamilie, und sein Bruder ist noch einer der wenigen Vollerwerbslandwirte in der Region. „Schon allein deshalb liegt mir die Landwirtschaft am Herzen“, betont der Pfarrer.

Aber allein die Überschrift „Zukunft als Giftspritzer oder Biobauer“ brachte den Bayerischen Bauernverband (BBV) auf die Palme. Statt einen deftigen Leserbrief zu verfassen, wurde der BBV beim Bischof vorstellig und forderte den Pfarrer öffentlich auf, seine Pfarrei aufzugeben. Denn mit dem Pfarrbrief sei „bewußt und gezielt geistiges Gift gespritzt worden“, wetterte BBV-Kreisobmann Willi Neuser.

Andreas Schlagenhaufers direkter Vorgesetzter, der Regionaldekan Gerhard Pausch, versuchte sogleich die Bauernfunktionäre zu beschwichtigen. „Die Katholische Kirche teilt die existentiellen Sorgen der bäuerlichen Bevölkerung um ihre Zukunft und anerkennt ihr zweifellos ehrliches Bemühen bei der Erzeugung gesunder Lebensmittel“, heißt es zu Beginn in seiner Erklärung noch ganz diplomatisch. Aber dann kommt er ohne Umschweife zur Sache. Die Kirche sei „nicht glücklich über einen solchen Pfarrbrief“ und bedauere die „daraus entstandenen Irritationen“.

Mit dieser Pfarrerschelte war die Sache aber noch nicht erledigt. Die Unruhe in der tiefschwarzen Kohlberger Region hatte bereits die Diözesanleitung in Regensburg alarmiert. Durch Bekanntwerden einer vom Bischöflichen Hilfswerk Misereor und dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschlands (BUND) erarbeiteten Studie mit dem Titel „Zukunftsfähiges Deutschland“ wurde zusätzlich Öl ins Feuer gegossen. Denn das darin formulierte Ziel der flächendeckenden Umstellung auf ökologischen Landbau stieß beim Bauernverband auf heftige Kritik. Örtlich ging sogar das Spendenaufkommen von Misereor spürbar zurück.

Regionaldekan Pausch organisierte, um die Gemüter zu beruhigen, eine nicht öffentliche Podiumsdiskussion. Dort standen aber nur der Umweltbeauftragte der Diözese München und eine Vertreterin von Misereor auf des Pfarrers Seite. Auf der anderen hingegen eine ganze Phalanx von BBV- Vertretern.

„Ausgerechnet in einer Zeit, wo die Nerven blank liegen, haut uns eine kirchennahe Institution in die Pfanne“, schimpfte eine Führungskraft des Bauernverbands aus München auf Misereor. Und BBV- Kreisobmann Neuser forderte unter Beifall Schlagenhaufer auf, er möge doch „seine Pfarrei aufgeben und als Kommissionsseelsorger in Brüssel für die Landwirtschaft Erfolge erzielen“. Im Namen des Bischofs beruhigte Generalvikar Wilhem Gegenfurtner die aufgebrachte BBV-Riege. An die Adresse Andreas Schlagenhaufers stellte er klipp und klar fest, daß der Sinn eines Pfarrbriefs nicht die „politische Agitation“ sei. „Ich wünsche mir, daß das morgen nicht wieder passiert“, meinte er mit fester Stimme.

Da kann sich Gegenfurtner aber nicht so sicher sein. Denn der Bauernsohn und Pfarrer Schlagenhaufer will weiter genau das machen, was er für richtig hält. Selbst wenn ihn jetzt so mancher im Dorf nicht mehr grüßen will. Bernd Siegler

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