piwik no script img

„Kasparow hat gegen Menschen gespielt“

■ Frans Morsch entwickelte Programme für den deutschen Schachcomputer „Mephisto“

taz: Herr Morsch, hat Sie der Sieg von Deep Blue überrascht?

Frans Morsch: Ja sehr, ich hatte nicht erwartet, daß IBM schon so weit ist. Denn es ist wirklich sehr schwer, ein so leistungsstarkes Schachprogramm zu entwickeln.

Leistungsstarke, schnelle Rechner gibt es seit langem, und die Zahl der Möglichkeiten ist auf 64 Feldern begrenzt.

Die Zahl der möglichen Züge ist beschränkt, steigt aber nach nur wenigen Zügen in unermeßlich große Dimensionen. Der Schachspieler rechnet nicht in erster Linie. Er beurteilt Stellungen, hat Drohungen von einzelnen Figuren visuell vor sich. Der Computer kann das nicht. Er muß sehr viele unnötige Rechenschritte machen, muß auch die Möglichkeiten durchrechnen, die ein guter Schachspieler von vornherein ausschließt. Ein Hauptproblem beim Programmieren ist daher, den Computer vor unnötigen Rechenoperationen zu bewahren.

Wer ein Schachprogramm einmal geschlagen hat, kann das in der Regel noch mal schaffen. Ist das bei Deep Blue anders?

Auch Deep Blue kann eigentlich nicht aus seinen Fehlern lernen. Das Team bei IBM hat gar nicht erst versucht, ein lernfähiges Programm zu entwickeln, das einen Fehler, der zum Partieverlust führt, nicht in der nächsten Partie wiederholt. Allerdings hat Deep Blue eine immense Rechenleistung, und es ist sehr schwierig, ihn ein erstes Mal auf die Verliererstraße zu bringen. Darüber hinaus konnte das Deep-Blue-Team zwischen den Partien das Eröffnungsbuch des Computers ändern.

Ihn zwischen den Partien umprogrammieren?

Ja. In Wirklichkeit hat Kasparow deswegen nicht nur gegen einen Computer gespielt, sondern gegen ein Team aus Computer und Menschen, wobei die Menschen die Lernunfähigkeit des Computers ausgleichen konnten.

Und Kasparows Leistung?

Kasparow hat für seine Verhältnisse sehr schlecht gespielt. Vor allem seine Eröffnungsauswahl war schrecklich, hinterher war er dann nicht mehr so schlecht.

Glauben Sie, daß nun die Schachspieler nicht mehr gegen Computer bestehen können?

Nein. Ich erwarte ein drittes Match zwischen Kasparow und Deep Blue, auf das sich der Weltmeister dann besser vorbereiten sollte. Interview: Jürgen Voges

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen