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Konfrontation oder Konsens?

■ Warum die Rentenrunde gestern gescheitert ist

In Bonn regiert die Scheinheiligkeit. Warum, fragte SPD-Chef Lafontaine, brauche man Rentengespräche außer für TV-Kameras, wenn es doch Experten gebe? Die sollten sich nach der Gesetzesvorlage der Koalition ihren Kopf darüber zerbrechen und nicht die Parteispitzen von SPD und Koalition. Ganz wohl war dem Saarländer dabei nicht, denn er beeilte sich anzumerken, daß die Umstände beim Steuergipfel, auf dessen Abhaltung gerade er so massiv gedrängt hatte, nun einmal andere gewesen seien. Warum eigentlich? Schließlich ist die Rente ein weitaus heikleres Thema. Ähnlich emotional – das beweisen alle jüngsten Umfragen – reagieren die Menschen hierzulande nur noch auf die Stabilität der Deutschen Mark.

Aus gutem Grund wurde die Rente meist im Konsens zwischen Opposition und Regierung ausgehandelt. Nun kündigt sich ein Wechsel an: Die Rente könnte erstmals zum Wahlkampfschlager werden. Den Anfang haben die Bonner Akteure schon gemacht. Allenthalben wird gedroht, lassen Koalition und SPD die Muskeln spielen. Dabei spielt die Regierung geschickt die historische Karte aus. Im Wissen darum, daß die Rente stets ohne heftigen öffentlichen Zwist geregelt wurde, gibt sie sich kompromißbereit. Über die Höhe der Rentenkürzung, so hieß es, könne man noch reden.

Dagegen muß das Agieren der SPD hilflos wirken, weil sie sich daran festgebissen hat, daß vom Rentenniveau von 70 Prozent nicht heruntergegangen werden darf. Die Unflexibilität, wochenlang medial untermauert, fällt ihr nun auch noch innerparteilich auf die Füße. Die Geschlossenheit vor dem Steuergipfel war bei der Rente schon dahin, bevor Lafontaine gestern das Spitzengespräch mit der Koalition platzen ließ. Ausgerechnet der Hamburger Voscherau, der in den Steuergesprächen den harten Mann der SPD gespielt hatte, warnte vor einem konfrontativen Kurs – wohl nicht nur allein im Bewußtsein, daß er selbst im kommenden Hamburger Wahlkampf auf verunsicherte Rentner schielen muß.

Lafontaines Absage hat der Partei zunächst einmal Luft verschafft. Doch wenn die SPD bei ihrer Rentenlinie bleibt, wird sie, spätestens wenn der Gesetzestext der Koalition vorliegt, vom jetzigen Dilemma wieder eingeholt. Dann hat der Vorwahlkampf 1998 schon begonnen. Severin Weiland

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