: „Liebe taz...“„Lügen-Henning!“
Betrifft: Offener Brief der „Nashörner“, behinderte und nichtbehinderte Kinder, die in der Schule Hermannsburg für eine Integrationsklasse bis zur 10. Jahrgangsstufe kämpfen, an den „Wortbrecher“Henning Scherf
Lieber Bürgermeister Henning Scherf!
Eigentlich wollten wir das Gedicht vom „Lügen-Henning“, das der Berliner Schriftsteller und Satiriker Wiglaf Droste für uns geschrieben hat, nicht veröffentlichen. („Man kennt ihn jetzt als Lügen-Henning. Und glaubt ihm nicht für zwanzig Penning.“d.Red.) Schließlich sind Sie unser Bürgermeister – auch wenn Sie Ihren Wortbruch noch nicht wieder rückgängig gemacht haben. Sie hatten uns im Januar '95 fest versprochen, daß wir und alle nachfolgenden Klassen bis zur 10. Klasse zusammenbleiben dürfen; nach Ihrer Wahl zum Bremer Bürgermeister brachen Sie Ihr Versprechen.
Und jetzt tun Sie auch noch so, als hätten Sie Ihr Wort gar nicht gebrochen Als wäre von Anfang an geplant gewesen, die Kooperation erstmal nur für die „Orientierungsstufe“sicherzustellen:
„Zum Jahresbeginn '95 habe ich mich als zuständiger Bildungssenator dafür eingesetzt, Euch die Möglichkeit der Fortführung Eures Klassenverbandes zu geben und trotz der angespannten Finanzsituation in Bremen die Fortführung der Kooperation in der Orientierungsstufe an der Schule Hermannsburg sicherzustellen.“
Das schreiben Sie in Ihrem Brief. Aber das ist nicht wahr! Ihre Zusage bezog sich auf die durchgängige Kooperation bis zur 10. Klasse! So steht es in Ihrer Pressemitteilung vom 17.1.95, und so stand es auch in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“vom 20.1.95 und in anderen Zeitungen
Im übrigen gibt es an der Hermannsburg gar keine Orientie-rungsstufe! Unsere Schule ist als „Integrierte Stadtteilschule“durchgängig von Klasse 5 bis 10 konzipiert: Hier gibt es keine Aussonderung nach der 6. Klasse, und gerade deswegen hatten wir uns diese Schule ja auch ausgesucht.
(...) Haben Sie gedacht, mit uns können Sie das machen, weil wir noch Kinder sind? Oder weil unsere Mitschüler Behinderte sind, die das doch nicht merken? Oder weil das nach der Wahl eh alles egal ist?
Und warum tun Sie heute so, als hätten Sie Ihr Wort gar nicht gebrochen?
(...)Lieber Bürgermeister Henning Scherf! Wir werden nicht aufgeben. Sie stehen bei uns im Wort. Und man bricht sein Wort nicht. Schon gar nicht als Bürgermeister. Viele Grüße! Ihre Nashörner
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