piwik no script img

Verweigerer rehabilitiert

■ Nazi-Todesurteil gegen den Katholiken Franz Jägerstätter wurde aufgehoben

Außerhalb Deutschlands ist er einer der bekanntesten Kriegsdienstverweigerer. Den von den Nazis hingerichteten Franz Jägerstätter nennen manche Friedenskämpfer in den USA in einem Atemzug mit Martin Luther King. Hierzulande jedoch kennt den Oberösterreicher kaum jemand. Das Landgericht Berlin hat jetzt das Todesurteil des Reichskriegsgerichts von 1943 aufgehoben.

Am 10. April 1938 stimmte Franz Jägerstätter als einziger Bürger der österreichischen Gemeinde St. Radegrund gegen den „Anschluß“ des Alpenlandes an das Deutsche Reich. Fünf Jahre später verweigerte der damals 34jährige Bauer den Kriegsdienst für die Nationalsozialisten, denn er könne „nicht gleichzeitig Katholik und Nationalsozialist“ sein. Selbst die Umstimmungsversuche seines Bischofs überzeugten den Familienvater nicht. Wegen „Wehrkraftzersetzung“ wurde er vom Reichskriegsgericht in Charlottenburg zum Tode verurteilt und am 9. August 1943 im Zuchthaus Brandenburg-Görden durch das Fallbeil hingerichtet.

Die katholische Kirche kann mit wenig Gläubigen aufwarten, die ähnlich konsequent den Dienst an der Waffe für die Nationalsozialisten verweigerten. Insgesamt verurteilte das deutsche Reich 250 Männer zum Tode, die aus religiösen Gründen nicht in den Krieg ziehen wollten – die Mehrzahl davon Zeugen Jehovas. Nicht zuletzt deshalb ist Jägerstätter innerhalb der Kirche zu einem Symbol des Widerstands geworden. Ein Seeligsprechungsverfahren ist eingeleitet. Aus dem Gefängnis fragt Jägerstätter: „Was wäre es für ein Unterschied, wenn nicht ein Gotteshaus mehr geöffnet wäre, wenn die Kirche ohnehin zu allem schweigt, was geschieht?“

Das Todesurteil gegen Jägerstätter habe einzig der „politisch gewollten Abschreckung“ gedient, meint nun das Berliner Landgericht. Rechtsgrundlage für die späte Aufhebung ist ein Berliner Gesetz aus dem Jahre 1951. Doch während der bekannte Jägerstätter spät, aber vollständig rehabilitiert werden konnte, bleiben allein in Berlin mehr als 200.000 NS-Unrechtsurteile rechtskräftig. Eine Initiative wollte eine Gedenktafel am Ort seiner Verurteilung in der Charlottenburger Witzlebenstraße anbringen. Doch dort, wo heute der 5. Senat des Bundesgerichtshofs seinen Sitz hat, verweigerte man sich diesem Ansinnen. Christoph Dowe

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen