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Täglich eine Kapsel Symonale Von Carola Rönneburg

In ihrer jüngsten Ausgabe beschäftigt sich die Illustrierte Focus mit der „neuen Lust von Frauen auf Helden und Sieger“. Ein Held und Sieger, das zeigt das Titelbild, trägt immer ein weißes Hemd mit geöffnetem Kragenknopf. Er stützt die Hände in die Hüften, mißt 180 Zentimeter und muß sich zweimal am Tag rasieren. Die „moderne Frau“, die dann im Heft zu sehen ist, liegt sorgfältig arrangiert auf ihrem Single-Bettchen und hat soeben „Vom Winde verweht“ beiseite gelegt. Träumerisch starrt sie an ihre Zimmerwand, die mit großen Starpostern diverser Siegertypen dekoriert ist: Harrison Ford, Boris Becker, Bernd Eichinger und natürlich Heiner „Lederjacke“ Lauterbach. Frauen, erklärt Focus, verlangt es nach dem „Kerl, der mit Macht und Courage ausgestattet ist, der selbst die stärksten Frauen bezwingen könnte und dies doch nicht tut, weil er weiß, welch Klasse und Raffinesse den Damen eigen ist“. Mit anderen Worten: Die Frau von heute sucht einen Sack.

Das dürfte den Focus-Leser verunsichern. Eben noch gehörte er zur „Info-Elite“, deren Angestelltenjobs so wichtig und zeitraubend sind, daß sie kurz, knapp und in Farbe mit Fakten versorgt werden muß – soll er jetzt plötzlich seine hellblauen Bürohemden gegen weiße eintauschen und in Lauterbachs Lederjacke in die Firma gehen? So sieht es wohl aus, doch das ist erst der Anfang. Einem australischen Psychologen zufolge, dessen Tips das Markwort-Magazin veröffentlichte, gilt es, „zur Männlichkeit“ zu finden. Der Weg dorthin ist so lang, daß selbst Focus ganze sieben Schritte für nötig hält, zur „eigenen, natürlichen Stärke“ zu gelangen. „Beziehung zum eigenen Vater klären“, befiehlt der Fachmann zum Beispiel. „Echte Männerfreundschaften suchen.“ Und als wäre das nicht schon schwer genug, hängt wahre Männlichkeit auch noch vom Arbeitsplatz ab: „Einen Job ausüben, an dem wirklich das Herz hängt“, fordert der Buschdoktor.

Harte Zeiten brechen da für alle Sachbearbeiter an, die außerdem Sexualität „nicht als schäbigen, zwanghaften Bestandteil des Lebens akzeptieren“, sondern vielmehr als „Quelle des Wohlfühlens“ entdecken sollen. Wie das funktioniert, erklärt der Schauspieler Claude-Oliver Rudolph auf der nächsten Seite. Die Frauenbewegung habe die Männer befreit, stellt er fest. Irgendwo in seinem geräumigen Kopf ist nämlich diese erstaunliche Erkenntnis gereift: „Wo ist denn heute eine Frau sexuell verfügbar, wenn nicht durch die Pille zum Beispiel?“ Ja, wo? Auch das muß sich der Focus-Leser überlegen. Auf dem Kopierer? Auf der Reeperbahn? Angesichts so vieler Schritte auf dem Weg zur Männlichkeit mag sich so mancher fragen, ob das nicht auch schneller geht, im Focus-Tempo quasi. Die Antwort lautet „ja“: nach der „Methode Lauterbach“. In einer Anzeige, die vor wenigen Tagen in der Bild-Zeitung erschien, gab Heiner Lauterbach einem Pharma-Unternehmen „ehrliche Antworten“ in einem „Exklusiv-Interview“. Dies wollte der Hersteller von Octacosanol-Kapseln wissen: „Herr Lauterbach, nehmen Sie Männlichkeits- Pillen?“ Jawoll: Zu „der Energie, die vor allem die Frauen fasziniert“, erklärte Lauterbach, käme er durch Octacosanol: „Seit ich täglich eine Kapsel ,Symonale‘ aus der Apotheke nehme, bin ich rund um die Uhr leistungsfähig.“ So einfach ist das.

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