Die Raumfahrt-Offensive

■ Auf dem Space-Kongreß stehen echte Liebhaber-Modelle: Raketentriebwerk, Raumanzug und die Kapsel aus dem Bremer Fallturm/ Jugend im Visier

Nicht für alle Aussteller bei der „Space-Exhibition“im neuen Bremer Messezentrum wird der Tag heute Gold. Wenn sich in den ersten Stock von Halle vier massenweise neugierige Schulklassen ergießen, dürften dem Diplom-Physiker der Firma Timetech beispielsweise die Ohren flattern. Er vertritt nämlich eine „sehr komplexe und schwierige Materie“, wie er gern sagt: Die Timetechniker entwickeln Software, die die Position von Satelliten im Orbit bestimmt. Derartige Dienstleistung wird immer wichtiger, sagen Experten und weisen darauf hin, wie sich staatliche „Anschubfinanzierung“so für die Wirtschaft auszahlt. Denn 32.000 Höhenkilometer über dem Äquator herrscht bereits arges Gedrängel, da können Satelliten schon mal aneinanderrempeln, wenn sie durch einen Partikelstrom der Sonne in Bewegung geraten. Dafür, daß das Abendprogramm vom Astra-Satelliten dann nicht ausfällt, tritt Timetech an. Dabei erhofft sich die Firma von der übersichtlichen Bremer „Raumfahrt-Ausstellung“vor allem neue Kontakte – allerdings weniger zu SchülerInnen.

Das könnte auf Gegenseitigkeit beruhen – denn bei der Ausstellung gibt es viel Spannenderes als den Timetech-Rechner und -bildschirm zu sehen. Das „Original-Raketentriebwerk“beispielsweise, das Peter Pflug von der heimischen Daimler Benz Aero Space (DASA) gerade aus Washington wieder mitgebracht hat, ist ein Liebhaberstück, „dessen Material Wahnsinnstemperaturen standhält.“

Wer Peter Pflug in einer günstigen Minute erwischt, dem erfüllt der DASA-Mann die Etappen der Raumfahrt samt ihrer deutschen Beteiligung im Handumdrehen mit Leben. Wenn er mit spitzem Finger auf einem Entwurf der Internationalen Raumfahrtstation (ISS), die im Jahr 2003 Wirklichkeit werden soll, den deutschen Beitrag ausdeutet, plaziert er schon gleich die Astronauten hinter das graue Metall. Im Geist läßt er sie da bereits die neuesten Experimente machen; aus Mondgestein Sauerstoff gewinnen und dergleichen, damit irgendwann Menschen dort oben eine Quelle zum Atmen haben.

Wer Pflug zuhört, hat kaum Zeit, an menschliche Schwächen wie Raumfahrerkrankheit oder militärische Nutzung zu denken. Denn schon präsentiert er Lösungen für Probleme, die Raumfahrt-AmateurInnen noch gar nicht bedacht haben. Das weckt Zuversicht. Wie sollen Resultate von Raumfahrtforschung zum Beispiel auf die Erde zurückkommen – und zwar schnellstmöglich? Auch dafür, daß die Raumfahrtforschung nach jahrezehntelanger Entwicklung heute nicht wertvolle Sekunden verliert, gibt es Hilfsmittel. Den extra Raumfahrt-Boten, ebenfalls ausgestellt. Das Tollste: Am Flugkörper kleben noch die Spuren von außerirdischen Silicium-Aluminium-Verbindungen, wie sie als echte Space-Frames heute im Audi herumfahren.

Daß die Ergebnisse solcher Experimente als Lieferung direkt vom Mond per Paraglider übrigens punktgenau landen müssen, ist in der Raumfahrt bereits gewährleistet, sagt Pflug. Trotzdem wertschätzt er die Arbeit der Hochschule Bremen wert. Deren neues „Institut für Aerospace-Technologie“werkelt gerade an solchen Flugnavigatoren, die derartige Landemanöver optimieren sollen. „Damit Nahrungsmittel bei humanitären Einsätzen genau dort ankommen, wo sie gebraucht werden“, sagt Professor Harald Michalik. „Hier war die Lenkung ein Problem.“Unterdessen schaut er ein wenig neidisch auf die Kollegen vom Bremer Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZERM), die ihre Forschung, anders als er, nicht nur über Drittmittel finanzieren. Aber vielleicht bringt die Ausstellung neue Kontakte. Denn sie soll mehr als eine Werbeveranstaltung für die Jugend sein. „Das aber auch. Denn Raumfahrt muß im Bewußtsein der Menschen wichtiger werden“, sagen viele. „Sonst wird weiter gekürzt.“

ede

Die Space-Ausstellung und Begleitveranstaltungen laufen bis Samstag abend (Eintritt 10 Mark).