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„Filmreife Skandalgeschichte“

■ Scherf als Justizsenator von Großer Koalition bestätigt / Grüne und AfB scheiterten

Selten waren sich die vier Fraktionen in der Bremischen Bürgerschaft so einig wie gestern nachmittag. Der Skandal um die Justizvollzugsanstalt Oslebshausen, in der Beamte Häftlinge mißhandelt hatten, sei eine „unerträgliche“, „nicht hinnehmbare“, „filmreife, Skandalgeschichte“, die das Image Bremens bundesweit geschädigt habe. Über die Konsequenzen aus dem Justizskandal entbrannte allerdings ein heftiger Streit. Während die Grünen und die AfB Scherfs Rücktritt als Justizsenator forderten, bestätigte die Große Koalition aus SPD und CDU Scherf in seinem Amt.

„Ihr Verbleiben im Amt wäre das Verdienst der Großen Koalition, die wahrscheinlich schon selbst daran glaubt, daß Sie unter Denkmalschutz stehen. Die CDU entpuppte sich dann als eifrigste Denkmalschützerin“, rief Gerhild Engels, justizpolitische Sprecherin der Grünen, Scherf zu Beginn der Debatte zu. Eine Ahnung, die sich während der knapp zweistündigen Debatte bestätigen sollte. Zwar hatte CDU-Fraktionschef Ronald Mike Neumeyer hatte „keine Veranlassung etwas schönzureden“und räumte ein, daß das Justizressort „zu locker geführt worden“sei. Für den Rücktritt Scherfs sah Neumeyer allerdings trotzdem keine Veranlassung. „Herr Hoff ist nicht mehr Anstaltsleiter, Herr Göbel ist nicht mehr Staatsrat, das sind politische Konsequenzen von einer Tragweite, wie wir sie in dieser Legislaturperiode noch nicht erlebt haben.“Politische Verantwortung zu übernehmen bedeute nicht, die „Flucht“anzutreten, sondern sich „den Änderungen zu stellen“, so Neumeyer weiter. Er traue Scherf zu, daß Justizressort auch in „schwierigen Zeiten führen zu können“, sprach er dem SPD-Senator ausdrücklich das Vertrauen aus. Horst Isola, justizpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, schlug in die gleiche Kerbe. Konsequenzen seien gezogen. Jetzt müsse Aufklärung betrieben werden, die Fortbildung der Beamten intensiviert und das Klima in der JVA verbessert werden. Nichtsdestotrotz könne der Skandal um den Strafvollzug kein „Kampffeld für politische Auseinandersetzungen“werden.

Scherf müsse angesichts der Vorwürfe eigentlich zurücktreten, interpretierte Andreas Lojewski (AfB) die Reden. „Aber es geht nicht, wegen der Großen Koaltion“. „Sie haben eine Spur des Chaos hinterlassen, im Bildungsressort, im Finanzressort, im Sozialressort“, zählte Lojewski Scherfs bisherige Senats-Ressorts auf. „Ich habe große Zweifel ob Sie überhaupt der richtige Mann sind, Bremen in diesen schwierigen Zeiten als Bürgermeister zu führen.“„Auf marode Strukturen kann nichts mehr aufgebaut werden“, sagte auch Karoline Linnert (Grüne). „Sie sind so sehr mit ihrem eigenen politischen Überleben beschäftigt, daß sie sich noch nicht einmal bei den Opfern entschuldigt haben, dabei sind Sie doch sonst nicht so sparsam mit Umarmungen.“

Er würde sich erst bei den Opfern entschuldigen, wenn die Strafverfahren abgeschlossen seien, ließ Scherf die Abgeordnete wissen. Er würde sich durch „die Misere im Strafvollzug“nicht von dem „großen Ziel“der Großen Koalition, „abbringen lassen“, „dieses Land aus der Misere zu bringen.“

Wie lange sich Scherf das Recht noch rausnehmen wolle, seinen „Mist“, den er „seit 1970 verzapft“habe, selbst auszubügeln, wollte Klaus Bernbacher von Scherf wissen. „Ich kann der SPD nur raten, sich von Scherf zu befreien.“

kes

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