Shells Eigner wollen nicht prüfen

Bericht über Verfehlungen des Konzerns. Bohranlagen in Nigeria von Bewaffneten besetzt  ■ Von J. George Frynas

St Andrews (taz) – Die Aktionäre des Shell-Konzerns haben sich bei der Hauptversammlung des Konzerns gestern in London gegen eine unabhängige Prüfung der Menschenrechts- und Umweltpolitik der Firma ausgesprochen. Die Kirchengruppe Ecumenical Committee for Corporate Responsibility (ECCR) und die Rentenfondsberater Pensions Investment Research Consultants (PIRC) hatten mit Anträgen versucht, eine solche Prüfung durchzusetzen. Das Management hatte sich dagegen gewandt. Vor dem Gebäude des Konferenzsaals protestierten derweil Aktivisten mit Plakaten gegen die Firmenpolitik: „Konzernprofite = Menschliche Defizite“.

Mit ihrem Jahresbericht hatte Shell den Teilnehmern der Hauptversammlung diesmal auch die neuen Unternehmensprinzipien geschickt. Darin ist erstmals die Berücksichtigung der Menschenrechte als Unternehmensziel festgeschrieben.

Während in London Manager und Aktionäre tagten, halten bewaffnete Jugendliche in Nigeria nach wie vor fünf Ölförderstätten besetzten. Eine sogenannte „Patriotische Liga Nembe-Jugend“ hatte zu Wochenbeginn die dort stationierte Polizei entwaffnet und die Anlagen besetzt. Shell zog sich zurück. Nembe im Nigerdelata war in den vergangenen Monaten mehrmals Schauplatz von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen lokalen Protestgruppen und der Ölindustrie.

„Wir haben uns gewandelt“, verkündete Shell noch vor kurzem. Doch der am Tag vor der Hauptversammlung in London vorgestellte alternative Jahresbericht zu dem Konzern zeigt, daß Shell in Peru und Nigeria weiter schwere Umweltschäden verursacht. In dem von den US-Umweltorganisationen Project Underground und Rainforest Action Network veröffentlichten Report heißt es, die von Shell angekündigte ökologische Sanierung des Nigerdeltas komme nur schleppend voran, und der Konzern verschleiere das wahre Ausmaß der Umweltverschmutzung.

Wasserproben aus Nigeria zeigten eine starke Verschmutzung des Trinkwassers. Im Dorf Ukpeleide westlich vom Ölhafen Port Harcourt platzte am 16. April dieses Jahres eine Pipeline. Öl lief aus. Der Anteil von Kohlenwasserstoffen im Trinkwasser war nach dem Zwischenfall 680mal höher als in der EU erlaubt.

„Shell reagierte auf Kritik mit der Überprüfung der Geschäftsgrundsätze und der Umweltpolitik“, hatten Shells Direktoren an die Aktionäre der Hauptversammlung geschrieben. Doch nach wie vor weigert sich der Konzern, Menschenrechtsverletzungen wie die Ermordung von Anti-Shell- Demonstranten in Umuechem in 1990 zu verurteilen. Außerdem hat Shell bisher nicht geklärt, wie die neuen Geschäftsgrundsätze in Nigeria und anderswo vor Ort verwirklicht werden sollen.

Besondere Besorgnis gibt es darüber in Peru. Schon ein Jahr nach Beginn der Ölprospektion brach Shell dort die eigenen Umweltstandards. Im Amazonas-Tiefland wurde das Trinkwasser durch Öllecks verseucht und Wald gerodet.

Zudem plant Shell bereits Ölbohrungen im Nahua/Kugapakori Naturschutzgebiet. Dabei steht in den Papieren Konzerns, daß das leben der indigene Bevölkerung dadurch gefährdet ist. Sie hat „keine Antikörper gegen gewöhnliche westliche Krankheiten wie Erkältung, Keuchhusten und Windpocken“.