Rußland und die Nato klären ihr Verhältnis

■ Primakow und Solana unterzeichnen ein Abkommen über ihre Sicherheitspartnerschaft. Die rechtliche Qualität des Dokuments ist noch unklar

Moskau (taz) – Nun scheint es unter Dach und Fach. Rußlands Außenminister Jewgeni Primakow und der Generalsekretär der Nato, Javier Solana, einigten sich gestern auf einen Text, der das Verhältnis zwischen Rußland und dem westlichen Verteidigungsbündnis nach der geplanten Osterweiterung festschreiben soll.

In einer gemeinsamen Erklärung heißt es, Rußland und die Nato hätten einen „entscheidenden Fortschritt“ in Schlüsselfragen einschließlich der militärischen Probleme erzielt. Außenminister Primakow sprach darüber hinaus von einer „vollständigen Übereinkunft in politischen und militärischen Fragen“. Offensichtlich ist es der russischen Seite gelungen, die Nato zu verpflichten, auf dem Territorium der neuen Mitglieder keine atomaren Waffen zu stationieren oder Depots und Truppen für eine Stationierung bereitzuhalten. Grundsätzlich verpflichten sich Rußland und der Westen zum Gewaltverzicht und der Respektierung der territorialen Integrität anderer Staaten. Beide Seiten werden einen Nato-Rußland-Rat ins Leben rufen, der militärische Zusammenarbeit und konzertierte Friedenseinsätze organisieren soll. Indes erhält Rußland kein Mitspracherecht bei inneren Angelegenheiten der Allianz.

Das Dokument soll, nachdem Präsident Jelzin und die Nato-Mitgliedstaaten ihr Plazet erteilt haben, am 27. Mai in Paris unterzeichnet werden. Die Nato hatte Rußland eine nicht bindende Sicherheitscharta angeboten, womit sich der Kreml nicht zufriedengab. Er bestand auf einem völkerrechtlich verbindlichen Dokument, dessen rechtliche Verbindlichkeit gestern offiziell noch nicht bekanntgegeben wurde.

Kaum eine politische Kraft in Rußland sieht dem erweiterten Bündnissystem mit Gelassenheit entgegen. Noch am Vorabend der Gespräche in Moskau hatten einflußreiche außenpolitische Experten Präsident Jelzin gewarnt, nicht eilfertig und überstürzt eine Charta mit der Nato zu unterzeichnen. „Obwohl Präsident und Außenminister vom Westen gewisse Zugeständnisse erhalten haben, bleibt dennoch zuviel Unsicherheit“, hieß es in dem Dokument, das die Tageszeitung Nesawissimaja Gaseta veröffentlichte. Die Außenpolitiker legten Jelzin nahe, Verhandlungen mit dem westlichen Bündnis auch nach der Aufnahme der ersten drei Anwärter im Juli weiterzuführen. Bundesaußenminister Klaus Kinkel (FDP) begrüßte gestern die Einigung zwischen Rußland und der Nato. Er hoffe, daß das Verhandlungsergebnis die Tür zu einer engeren sicherheitspolitischen Zusammenarbeit mit Rußland öffne, sagte Kinkel. Klaus-Helge Donath