Drahtesel vergittert

Ein Hamburger Student soll ins Gefängnis, weil er nicht den Radweg benutzt hat  ■ Von Judith Weber

Es gibt Momente, in denen kann Helge Mengel die Polizei nicht mehr ernst nehmen. Zum Beispiel, wenn sie ihn aus dem Auto per Lautsprecher anblafft und unsinnige Befehle gibt. „Benutzen Sie den Radweg!“ist eine dieser Forderungen, die angesichts gewisser Straßen in Mengels Ohren ebenso sinnvoll klingen wie „Fahren Sie rückwärts“.

Entsprechend locker reagierte Mengel, als ihn ein Polizist 1994 auf dem Berner Heerweg aufforderte, den kombinierten Fußgänger-Radweg zu benutzen. Der Mehrzweckstreifen, erklärte Mengel den autofahrenden OrdnungshüterInnen, sei eine Zumutung. Einen Meter schmal ist er, schmiegt sich an Hofausfahrten und Hauseingänge, und Huckel und Löcher hat er auch noch. „Den zu benutzen wäre gefährlich gewesen“, sagt Mengel. Außerdem seien für ihn als Liegeradfahrer Unebenheiten „extrem unangenehm“.

Für diese Renitenz soll der Sozialpädagogik-Student jetzt ins Gefängnis. Vier Tage Beugehaft hat das Verkehrsgericht Hamburg verhängt, weil Mengel sich geweigert hatte, die Geldbuße für unbefugte Straßenbenutzung zu zahlen.

RadlerInnen gehören nicht auf die Fahrbahn, bestimmt die Straßenverkehrsordnung. „Wir haben eine Radwegebenutzungspflicht“, erklärt Klaus Hackelberg von der Hamburger Innenbehörde. Die gilt auch, wenn der Radstreifen gleichzeitig Fußweg ist. Auf dieser Benutzungspflicht beharrten auch die PolizistInnen, als sie Helge Mengel schließlich an einer Kreuzung stoppten. Vierzig Mark Verwarnungsgeld sollte er zahlen, Einsicht zeigen und in Zukunft kein Rad mehr auf die Fahrbahn setzen.

Drei Polizistenwünsche auf einmal. Helge Mengel erfüllte keinen einzigen. Er radelte weiter auf der Straße, Reue zeigte er nicht. Statt dessen legte er Widerspruch ein und zog vor das Hamburger Amtsgericht. Dort, so die Kammer, hinterließ der Student „einen völlig uneinsichtigen Eindruck“. Schließlich habe es keine Rechtfertigung dafür gegeben, den Anweisungen der Polizeibeamten nicht zu folgen.

Zu dem gleichen Ergebnis kam das Verkehrsgericht, bei dem Mengel Einspruch einreichte. Der Radler sei nur auf der Straße gefahren, weil er dort schneller vorankam, befand das Verkehrsgericht.

Strafe zahlen will der Liegeradfahrer trotzdem nicht. „Dann müssen sie mich eben einsperren.“Ihm geht es ums Prinzip. Und der Staat müsse sich überlegen, ob seine Mittel hier angemessen seien. Bereits vor zwei Wochen hätte er seine Haftstrafe antreten sollen. „Aber freiwillig gehe ich nicht“, sagt er. „Ich warte, bis die Polizei mich abholt.“