Mobutu geht, Zaire atmet auf

■ Der Diktator tritt ab und flieht. Die Armeeführung will Kinshasa kampflos den Rebellen überlassen

Berlin (taz) – Die Ära Mobutu in Zaire ist zu Ende. Der Präsident hat gestern die Amtsgeschäfte aufgegeben und die Hauptstadt Kinshasa verlassen. Zuvor hatte die zairische Armeeführung ihm bedeutet, sie werde nicht mehr versuchen, Kinshasa gegen die anrückenden Rebellen der Allianz demokratischer Kräfte für die Befreiung von Kongo/Ex-Zaire (AFDL) zu verteidigen.

Während die Armee die im Osten der Hauptstadt aufgebauten Verteidigungsstellungen räumte, flog der Präsident in sein Geburtsdorf Gbadolite im hohen Norden Zaires – eine von serbischen Söldnern bewachte Insel im von den Rebellen kontrollierten Gebiet. Dort besitzt er einen Urwaldpalast. In Kinshasa gab dann Informationsminister Kinkiey Mulumba Mobutus Amtsverzicht bekannt.

Mobutu wäre aber nicht Mobutu, hätte er dem Geschehen nicht noch eine eigene Wendung gegeben: Er wolle die Staatsgeschäfte abgeben, aber dem Titel nach „Präsident“ bleiben. Interimspräsident werde der Premierminister sein, General Likulia Bolongo.

Bei Gesprächen in Kapstadt am Donnerstag hatten sich Südafrikas Präsident Nelson Mandela und Kabila geeinigt, Mobutu eine Frist bis Montag zu geben, um auf Mandelas jüngste Vorschläge zu antworten. Danach sollte Mobutu zurücktreten und die Macht einer Übergangsregierung „aus Kabilas Allianz und anderen politischen Kräften in Zaire“ übertragen. Neuer Präsident wäre der Führer der größten Kraft in dieser Regierung – also vermutlich Kabila. Die Übergangsregierung solle innerhalb eines „vernünftigen Zeitraums“ freie Wahlen organisieren. Mobutus Übertragung der Macht an einen Interimspräsidenten widerspricht diesem Vorschlag.

Kinshasa steht nun dennoch den Rebellen der AFDL offen. Mobutus Generäle haben die Waffen gestreckt – sicherlich in der Hoffnung, von Kabila angemessen belohnt zu werden. Die einzige bisher kämpfende Truppe der Streitkräfte, die Präsidialgarde, ist führungslos: Ihr Chef General Nzimbi Ngbale verschwand gestern in einem Schnellboot über den Kongo-Fluß in das Nachbarland Kongo. Am Rand von Kinshasa begannen Gespräche zwischen hochrangigen Armeevertretern und Rebellen über einen friedlichen Einzug der AFDL.

Mobutus Abgang ist für Laurent-Désiré Kabila die Krönung seines Siegeszuges – einer der erstaunlichsten Militärfeldzüge der Geschichte. Am Sonntag ist es genau sieben Monate her, daß in einem kleinen ostzairischen Dorf die AFDL als Bündnis kleiner Exilparteien und Rebellen der Banyamulenge-Tutsi gegründet wurde, mit Kabila als „Sprecher“. Niemand glaubte damals, daß sie Mobutu wirklich gefährlich werden könnte. Aber die zairische Diktatur ist wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen. Nun steht Kabila vor der schwierigen Aufgabe, die immensen Erwartungen der 40 Millionen Zairer auf Freiheit und vor allem auf Wiederaufbau des Landes zu erfüllen.

Der todkranke Mobutu denkt derweil schon an andere Welten. Offenbar in Erwartung eines Einmarsches von Tutsi-Soldaten der AFDL in Gbadolite verfügte er die Einäscherung der Leiche seines Freundes und früheren ruandischen Präsidenten Habyarimana, in dessen letzten Herrschaftsjahren in Ruanda 1994 der Völkermord an den Tutsi vorbereitet worden war und der in Gbadolite begraben liegt.

Gerüchten zufolge wird Mobutu aus Gbadolite ins Exil reisen – nach Marokko, mit dessen König Hassan II. er befreundet ist, oder nach Frankreich, wo er über beträchtliches Immobilieneigentum verfügt. Die Schweiz, wo sich dem Vernehmen nach Mobutus Bankkonten befinden, fällt wohl aus: Die Schweizer Regierung beschlagnahmte gestern auf Antrag der unter Rebellenkontrolle stehenden zairischen Staatsanwaltschaft Mobutus „Villa les Mignettes“ in Savigny bei Lausanne, ein 30-Zimmer-Prachtbau im Wert von vier Millionen Mark. Dominic Johnson

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