: DGB will Abstriche bei neuen Tarifverträgen
■ DGB-Chef Dieter Schulte will die Flächentarifverträge künftig flexibler handhaben. Für verkürzte Ausbildungszeiten und Senkung des Rentenniveaus
Bonn (dpa/AP) – Viel ist bislang über ihn gestritten worden, jetzt steht er abermals zur Debatte, der Flächentarifvertrag. Dieter Schulte, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes, forderte am Wochenende, das Tarifwerk zu reformieren. In einem Interview appellierte er an die Einzelgewerkschaften, einer Neubearbeitung zuzustimmen. Künftig solle der Flächentarifvertrag sich „stärker auf die Beschreibung von Rahmenbedingungen beschränken“, den einzelnen Betrieben möge man „stärkere Regelungskompetenzen“ an die Hand geben. Die Reform habe „schnellstmöglich“ zu geschehen, ansonsten drohe die Gefahr, „daß die Politik uns dies aus der Hand nimmt“.
Nicht nur die Ikone des deutschen Tarifsrechts soll erneuert werden. Schulte sprach sich auch für verkürzte Ausbildungszeiten von zwei Jahren aus. Während der Lehrzeit solle nur Grundwissen vermittelt werden, später könne sich jeder selbst weiterqualifizieren. Für seinen Vorstoß erntete Schulte Zustimmung. Die Bonner Koalition nannte ihn einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Allerdings bleibe abzuwarten, ob der Ankündigung auch Taten der Einzelgewerkschaften folgten. Diese hielten sich gestern mit Stellungnahmen zurück. Vor Schulte hatte sich Hans Peter Stihl, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages zu Wort gemeldet. Er hält den Arbeitsmarkt noch für zu unflexibel. Der Flächentarifvertrag habe sich auf Mindestbedingungen, Eckwerte und Korridore zu beschränken. „Die Zeiten kollektiver Lösungen sind vorbei“, sagte Stihl. Er räumte ein, daß die Tarifabschlüsse der letzten Zeit „durchweg sinnvoll“ gewesen seien.
Dieter Schulte äußerte sich auch zur geplanten Absenkung des Rentennieveaus. Aufgrund der höheren Lebenserwartung würden die Menschen länger Rente beziehen, gleichzeitig sinke jedoch die Zahl der Beitragszahler. Lob auch hierfür. Der DGB sei „erfreulicherweise“ auf die Position der Koalition und der Rentenversicherer eingeschwenkt, vermerkte Reiner Eppelmann, Chef des Arbeitnehmerflügels innerhalb der CDU. In den kommenden vier bis sechs Wochen wollen Arbeitgeber und Gewerkschaften in dieser Frage zu einer einheitlichen Haltung kommen. Schulte legte sich jedoch nicht auf die Höhe der Absenkung fest. Die Koalition fordert künftig 64 Prozent. Über die Höhe der Renten will die SPD nicht mit sich verhandeln lassen. Sie beharrt weiterhin auf den gegenwärtigen 70 Prozent des Nettolohns. Ihr Sozialexperte Ottmar Schreiner kritisierte Schultes Einstellung. Das SPD-Konzept, das keine Absenkung des Rentenniveaus vorsieht, sei immerhin mit führenden Gewerkschaftern erarbeitet worden, monierte er.
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