: Die unverfängliche Bestechung
■ IOC-Kommission kommt im Fall des um den Olympiasieg betrogenen Boxers Roy Jones jr. zu seltsamen Schlüssen
Berlin (taz) – Die Bilder sprachen für sich: Drei Runden lang hatte der US-Amerikaner Roy Jones jr. im Finale des olympischen Boxturniers 1988 in Seoul seinen südkoreanischen Gegner Park Si- Hun fürchterlich vermöbelt. Der NBC-Computer vermerkte 86 Treffer für Jones, 32 für den Koreaner. Doch dann das Urteil: 3:2-Punktsieg für Park. Erschüttert stand Jones – mittlerweile, auch wenn vorübergehend als Champion entthront, der beste Halbschwergewichtler bei den Profis – im Ring und brach in Tränen aus. Ähnlich konsterniert war der plötzliche Sieger, dem die Sache sichtlich peinlich war. Bei der Siegerehrung faßte er Jones um die Hüften und hob ihn in die Höhe, solchermaßen darlegend, wer seiner Meinung nach den Kampf gewonnen hatte.
50.000 erboste Bürger Süd-Koreas riefen beim Fernsehen an und beschwerten sich über die Art, wie diese Goldmedaille für ihr Land zustande gekommen war. Schnell fiel der Vorwurf der Bestechung, zumal es auch vorher schon dubiose Entscheidungen zugunsten südkoreanischer Boxer gegeben hatte. Stasi-Akten, die auf den Berichten des DDR-Boxfunktionärs Wehr beruhten, bestätigten diesen Verdacht, und das NOK der USA beantragte, Roy Jones nachträglich eine Goldmedaille zu verleihen. Neun Monate ermittelte eine Kommission des IOC unter Leitung von Generalsekretär François Carrard und kam zu wahrhaft erstaunlichen Resultaten. „Es gibt keinen Beweis für Korruption beim Boxturnier in Seoul“, wird da dreist behauptet, und es gebe keinen Anlaß zur Veränderung des Kampfurteils.
Die Stasi-Akten werden als unzuverlässige Quelle eingestuft, obwohl selbst Carrard bestätigen muß, daß ihr Kernpunkt der Wahrheit entspricht: Kampfrichter aus Afrika und Südamerika hatten von den Veranstaltern je 300 Dollar „Spesen“ erhalten, weil das Essen in Seoul so teuer gewesen sei. Die Punktrichter, die Jones als Verlierer sahen, kamen aus Marokko, Uganda und Uruguay. Doch Carrard sieht „nichts Verfängliches“ darin, daß ausgerechnet Box- Punktrichter in den Genuß von Extraspesen kommen.
Vernommen wurde von der IOC-Kommission der Marokkaner Hiouad Larbi, der für Park gewertet und hinterher behauptet hatte, er habe dies aus Höflichkeit gegenüber den Olympia-Gastgebern getan, weil er ein 0:5-Urteil verhindern wollte. Jetzt sagte er, daß er „diesen engen Kampf“ heute genauso entscheiden würde. Auf Carrard machte Larbi „einen absolut integren Eindruck“, und man muß sich, so gesehen, wundern, daß der Box-Weltverband Larbi und seine Kollegen damals für zwei Jahre sperrte. Eines jedenfalls ist sicher: François Carrard gäbe einen wunderbaren Box- Punktrichter ab. Matti Lieske
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen