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Es macht Pop im Netz

Von der Besetzerdoku zum Cyberpakt: Auf dem „Transmedia“-Festival im Podewil entern CD-ROM und Internet ab heute die Insel Videokultur  ■ Von Ulrich Gutmair

Seit Nam June Paik den ersten portablen Videorecorder zur Kunstmaschine erklärte, haben sich die Produktionsbedingungen für Videokultur stetig verändert. Was unter anderem als Angriff auf die nationalen Monopole der Bilderzeugung und Distribution begann und in den Medienwerkstätten der siebziger Jahre als emanzipatorische Basisarbeit fortgeführt wurde, hat längst ein unspektakuläres Ende genommen. Familienväter horten stundenweise Material auf Videokassetten, die Medienrevolution mündete in „Deutschland privat“.

Von Anfang an hatte das Berliner Videofest als Begleiter der Bewegung eine zweite Programmschiene mit Fernsehproduktionen verfolgt. Von 1995 an setzte man mit CD-ROMs und Internetprojekten früher als die meisten vergleichbaren Festivals verstärkt auf Multimedia. Der neue Titel „Transmedia“ signalisiert, daß das Festival jetzt endgültig die „isolierte Insel Videokultur“ verlassen hat, so Micky Kwella, der für das Programm mitverantwortlich ist.

Das Medium Video hatte sich allerdings schon lange in einer Identitätskrise befunden, die nicht allein mit der Mutation zur Allerweltstechnologie zu erklären ist. Computeranimationen lösten das gute alte Video ab, degradierten sich aber meist freiwillig zu selbstreferentiellen Promotionclips der jeweils neuesten Technologie. Solcher Technokitsch illustrierte das alte Problem künstlerischer Herangehensweisen, die sich allzusehr über ihr Medium definieren. Erst mit experimentellen CD-ROMs und Internetprojekten kehrte der Geist eines Aktivismus zurück, der sich über alternative Nutzungsweisen von Medien Gedanken macht.

Neben den obligatorischen Multimedia-Präsentationen, die wie in den letzten Jahren im Foyer des Podewil zu sehen sein werden, beschäftigen sich zwei Diskussionen unter dem Titel „Datenraum“ dieses Jahr mit den aktuellen Verteilungskämpfen im Internet, wo sich kulturelle und kommerzielle, europäische und kalifornische Strategien gegenüberstehen. In der Veranstaltung „Flesh Frontiers“ werden das Critical Art Ensemble und der Cyberanarchist Hakim Bey die politischen Aspekte der neuen Informationstechnologien beleuchten. Beys „Temporäre Autonome Zone“ ist 1995 auf deutsch erschienen und zählt zu den meistzitierten Texten an der Schnittstelle von Pop, Theorie und Netzkultur.

Noch weiter auf neues Terrain wagen sich Einführungsveranstaltungen zu Themen wie Nanotechnologie und Bewußtseinsforschung. Die wahlweise Promotion oder Kritik der naturwissenschaftlichen Forschung aus dem Blickwinkel der Kultur ist in den USA längst selbstverständlich und wird im Rahmen europäischer Medienfestivals ausgiebig von der österreichischen Ars Electronica abgedeckt. Der sich hier erhebende Einwand eines Gemischtwarenladens „Transmedia“, der zwischen Videokunst und Internetaktivismus auch noch die neusten Trends in der Naturwissenschaft abdecken will, ist ein offensichtliches Problem. Während auf Festivals wie der Ars Electronica Protagonisten aus Medientheorie und Cultural Studies aber unter den Augen des entsprechenden Fachpublikums zusammentreffen, sollen hier ähnliche Programmteile als thematische Einführungen für das eher breite Spektrum der typischen „Transmedia“-Besucher fungieren, so Kwella.

Ob die Idee der Serviceleistung für die Öffentlichkeit auch für die messeähnlichen Anteile des Festivals gelten kann, in denen sich Multimediaunternehmen aus der Region Berlin-Brandenburg vorstellen, sei dahingestellt. Diese Frage wurde in den letzten Jahren bereits durch das Publikum entschieden: Die entsprechenden Veranstaltungen waren immer voll besetzt.

„Transmedia“ wurde dieses Jahr erstmals zeitlich verschoben zu den Filmfestspielen terminiert. Den Schritt aus dem Schatten der Berlinale hat die Unentschiedenheit des Senats unter den Vorzeichen der allgemeinen Haushaltspanik nicht unwesentlich beeinflußt. Der gab sein O.K. für eine Teilfinanzierung erst im Dezember. Trotz aller Programmvielfalt, die ein eigenständiges Festival sinnvoll erscheinen läßt, deckt „Transmedia“ auch dieses Jahr wieder ein breites Spektrum von Produktionen aus dem Bereich audiovisueller Medien ab. Dort scheint der Trend wieder vermehrt in Richtung Dokumentarisches zu gehen: Michael Brynntrups „Loverfilm“ etwa listet dessen Liebhaber der letzten zwei Jahrzehnte auf. Der Dokumentarfilm fungiert hier als letzte Reminiszenz an den Videoaktivismus alter Schule und spielt gleichzeitig mit der zum Klischee gewordenen Idee des politischen Privaten, die als allgemein akzeptierter Exhibitionismus inzwischen aus Homevideos und einschlägigen Fernsehshows spricht. Ulrich Gutmair

Bis 1.6., täglich 14–2 Uhr im Podewil, Klosterstraße 68–70.

Tel.: 24721907. http://

www.mediopolis.de/videofest

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