: Polizei gibt Vermummung zu
Jetzt läßt es sich nicht mehr leugnen: Videoaufnahmen zeigen vermummten Zivilbeamten. Polizei: „Bedauerlicher Einzelfall“ ■ Von Barbara Bollwahn
Die Polizei gerät immer mehr unter Erklärungsdruck: Nachdem sie vergangene Woche ausgeschlossen hatte, daß vermummte Zivilkräfte am 1. Mai unterwegs waren, bestätigte die Polizei gestern, daß ein vermummter Zivilpolizist im Einsatz war. Erst nachdem Landesschutzpolizeidirektor Gernot Piestert am Mittwoch in der SFB-„Abendschau“ mit Viedoaufnahmen konfrontiert wurde, auf denen eindeutig ein vermummter Zivilbeamter zu sehen ist, gab die Polizei gestern zu, daß sich ein 27jähriger Polizeiobermeister bei einer Festnahme eine „Motorradfahrerhaube“ aufgesetzt hat. Der Beamte habe sein Verhalten damit begründet, daß er sich vor einem Wiedererkennen schützen wollte. In der „gewaltbereiten Szene“ würden „Steckbriefe“ von Polizeibeamten kursieren, heißt es in einer Pressemitteilung.
Ob es sich um einen „bedauerlichen Einzelfall“ handelt, wie die Polizei behauptet oder ob Verstöße gegen das Vermummungsverbot vorsätzlich in Kauf genommen wurden, darüber soll der Innenausschuß am Montag Klarheit bringen. Nach Auffassung der Polizei gilt das Vermummungsverbot nicht für Polizisten bei Demonstrationen, da diese keine Teilnehmer seien sondern „zum Schutz“ eingesetzt seien. Das Vermummen würde von der Polizeiführung aber nicht gebilligt, heißt es weiter, weil es geeignet sei, die polizeilichen Maßnahmen ins Zwielicht zu bringen.
Bündnis 90/Die Grünen gehen davon aus, daß sich Polizeipräsident Hagen Saberschinsky (CDU) am Montag zu den Vorwürfen äußern wird. Die Grünen haben die Erstellung eines autorisierten Mitschnittes des Polizeifunks beantragt, der in Auszügen in der taz und der jungen Welt abgedruckt wurde und den Verdacht nahelegt, daß 50 vermummte Zivilpolizisten mitgemischt haben.
Auch Otto Diederichs, Herausgeber und Chefredakteur der polizeikritischen Zeitschrift „Bürgerrechte & Polizei“, geht davon aus, daß der vermummte Zivilbeamte kein Einzelfall ist. Zu der „generellen Aufgabe der Polizei, sich in szenetypischer Kleidung unter Demonstranten zu mischen“, gehöre Vermummung dazu. Diederichs attestierte der Polizei „eine bis an die Neurose grenzende Vorstellung davon, wie sie jemand wiedererkennen könnte.“ Die angekündigte disziplinarische Bestrafung sei ein „Bauernopfer“. Barbara Bollwahn
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