: Neue Regierung und alte Rivalitäten
Kabila bildet für den Kongo eine AFDL-beherrschte Regierung ohne Oppositionsführer Tshisekedi. Der erkennt das neue Kabinett nicht an, und seine Anhänger drohen mit Gewalt ■ Aus Kinshasa Andrea König
Um acht Uhr am Donnerstag abend waren die Straßen von Kinshasa leergefegt. Fernsehen und Radio meldeten, Kabilas Allianz wolle nun endlich die Regierungszusammnensetzung bekanntgeben. Der Fernsehsender, der jetzt „Télévision du Peuple“ heißt, zeigt deutsche Dokumentarfilme. Eine Stimme erklärt zwischendurch, die Militärmusik hätte sich bereitzuhalten. Aber eine Regierung wird nicht verkündet.
Die Information erhalten die Bürger Kinshasas schließlich gegen zwei Uhr morgens – aus den ausländischen Sendern. Denn um halb eins in der Nacht wird im Hauptquartier der Allianz, dem Hotel Intercontinental, die internationale Presse aus den Betten geholt, um ihr in einer Kurzkonferenz die Zusammensetzung der Übergangsregierung vorzustellen. 13 Minister werden ernannt, weitere sieben sollen demnächst folgen.
Es wird keinen Premierminister geben – damit sind die Hoffnungen von Etienne Tshisekedi, Führer der größten Oppositionspartei UDPS, zerschlagen. Das Verteidigungsministerium untersteht vorläufig dem Präsidenten Kabila. Kader der AFDL-Allianz behalten die Innen-, Außen-, Informations- und Finanzministerien und übernehmen dazu Planung, Transport, Justiz, Minen und Bildung. Justine Kasavubu und Paul Bandoma, beide ursprünglich aus Tshisekedis UDPS, übernehmen die Ministerien des öffentlichen Dienstes und der Landwirtschaft. Zwei Vertreter der radikalen Opposition Front Patriotique übernehmen Gesundheit und Telekommunikation. In die sieben noch unbesetzten Posten, so wurde gestern gemutmaßt, sollen Vertreter kleinerer Parteien berufen werden. Am Morgen sitzen in den Cafés betroffene Leute vor leeren Kaffeetassen und lesen die Liste der Minister. Ein ratloser Christdemokrat: „Können Sie mir sagen, wer Mwenze Kongolo ist?“ Der neue Innenminister gilt als Hardliner der Allianz. Da es keinen Vizepräsidenten gibt, fragt sich der Mann, ob Mwenze dann wohl Kabila in seiner Abwesenheit vertreten würde.
Etwas später ruft Tshisekedi, der Verlierer, zur Pressekonferenz. Hunderte seiner Anhänger warten vor seiner Residenz. Tshisekedis Botschaft wird per Lautsprecher nach draußen übertragen: Die UDPS erkenne die neue Regierung nicht an, sie sei durch nichts legitimiert. Tshisekedi ruft die Bevölkerung auf, sie zu ignorieren. UDPS-Aktivist Jacques Mbila schimpft: „Wir haben eine Übergangsverfassung, und die soll Kabila gefälligst respektieren. Was stellt sich diese Allianz überhaupt vor?“ Die Vertreterin der UDPS- Frauengruppe, Isabelle Ngalula: „Noch gibt es erst eine Frau in der Regierung, Justine Kasavubu, und sie hat weder von der Partei noch von uns ein Mandat erhalten. Sie hat sich als Individuum der Allianz angeschlossen. Wir betrachten sie als Deserteurin.“
Die Stimmung ist aggressiv. Manche UDPS-Mitglieder sagen, sie würden nun ihre Waffen behalten – man wüßte ja nie, ob man sie nicht noch braucht. Andere drohen, die Stadt lahmzulegen. „Wir werden marschieren, und wir haben auch vor diesen Soldaten keine Angst“, tönt einer. „Kabila soll gehen und seine Ruander auch gleich mitnehmen.“ Später versucht die Menge, zum Parlamentsgebäude zu marschieren. AFDL- Soldaten lösen die Demonstration mit Schüssen in die Luft auf.
Aber außerhalb der Tshisekedi- Hochburg Limete ist die Stimmung bedeutend ruhiger. Die meisten erwarten, daß sie in Ruhe arbeiten und friedlich leben können, und sagen, sie würden erst danach über Demokratie und Premierminister reden wollen. Der Kleinunternehmer Armand: „Tshisekedi hat nichts begriffen. Er ist nichts als ein Unruhestifter.“
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