: Sonne tanken, Wale suchen
Bei Schnittchen und Wellenschlag berichtet die Besatzung des Umweltschiffs „Aldebaran“von ihrer Forschungsreise zu den Kanaren ■ Von Judith Weber
Das ist mal ein Schnittchen. Gerade will die Dame vom Radio in das Weißbrot-mit-Salat-Remoulade-und-Käse beißen, als eine Welle das Boot unter ihr packt. „Huch“sagt die Radiofrau. „Flatsch“macht das Schnittchen, als es auf den Boden prallt. „Pilotwale sind etwa sechs Meter groß“, sagt Frank Schweikert, während er die Stulle aufhebt.
Ihm, dem Geschäftsführer der Non-Profit-Umweltorganisation „Aldebaran“, werden seeuntaugliche JournalistInnen nicht seine „Schwimmende Pressekonferenz“im Hamburger Hafen vermiesen. Schließlich gibt es Grund zum Feiern. Nach sechs Monaten Forschungsreise ist die „Aldebaran“, das Schiff der Organisation, seit gestern wieder zu Hause. Rund um die kanarischen Inseln ist sie gekurvt, um Wale und Delphine zu beobachten. „Wenn wir die Ergebnisse ausgewertet haben“, erklärt Schweikert, „wissen wir genauer, wo sich die Tiere aufhalten.“An diesen Stellen will die spanische Regierung dann touristenfreie Schutzzonen für Wale schaffen. 700.000 Urlauber wollten die Tiere 1996 sehen.
Für „Aldebaran“, das Schiff, war es die erste Reise in den Süden. Für Aldebaran, die Organisation, ist es eine Gelegenheit, über anderes als über Algenbeobachtungen in der Ostsee zu berichten oder über Reisen nach Dänemark. „Im Winter hat es sich einfach angeboten, was an den Kanaren zu machen“, sagt Mitarbeiter Thorsten Schaubrenner. Da kam das Angebot der spanischen Regierung gelegen.
Am Ruder lacht ein sonnenverwöhnter Skipper. Braun ist er, aber nicht erholt. Denn eine For-schungsreise ist kein Segeltörn, lernen die Pressemenschen. „Wir stehen morgens um sieben auf und arbeiten bis abends um zehn“, erzählt Schaubrenner. Durchschnittlich alle zwei Stunden ist die Crew rund um Gomera und Teneriffa Walen begegnet. Alle Tiergruppen mußten gefilmt, ihre Position in Karten gezeichnet werden. Die JournalistInnen nicken. Sie haben genug damit zu tun, ihren Kaffee nicht überschwappen zu lassen.
Es ist eng auf dem Schiff. Acht StudentInnen und WissenschaftlerInnen haben in den sechs Monaten an Bord gelebt – unter anderem da, wo sich gerade ein Zeitungsredakteur den Kopf stößt. „Das ist unser Hörfunk-Studio“, erklärt Schaubrenner. Der Raum hat etwa Doppelbett-Größe. Von hier aus hat die Besatzung live für spanische Radiosender berichtet. Die Umwelt-Berichterstattung elektronischer Medien zu verbessern ist ein Ziel von Aldebaran und angeblich „ein Unterschied zu Greenpeace“.
Stolz ist Frank Schweikert, daß die Besatzung nahe bei Gomera eine selten Delphinart entdeckte. In der Kajüte knipst er einen Videorecorder an. Der zeigt Unterwasserbilder von Walen, Delphinen und Menschen in Neopren-Anzügen. Ach ja, „Taucher hatten wir auch dabei“, ergänzt Schaubrenner. Das hatte er vorher schon mal gesagt, aber da kam wohl das Schnittchen dazwischen. Ein Mikroskop, zählt er auf, ist auch an Bord, und ein Mini-Labor. Dann kommt die nächste Welle. Ein Pfund Erdnüsse knallt aus dem Regal. Aber diesmal können die Presseleute wirklich nichts dafür.
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