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Bei Privatisierung droht Streik

■ ÖTV will „ganze Kraft der Belegschaften mobilisieren“, falls der Senat versucht, weitere öffentliche Unternehmen zu verkaufen. BVG und Wasserbetriebe befürchten Reduzierung ihres Personals

Bei Privatisierung Streik – so droht die Gewerkschaft ÖTV in Richtung des Senats. Wenn eines der vier Unternehmen BVG, Hafengesellschaft Behala, Wasserbetriebe und Müllentsorger BSR „aus der Kette der öffentlichen Firmen herausgebrochen wird, mobilisieren wir die ganze Kraft der Belegschaften“, erklärte gestern ÖTV-Chef Kurt Lange im Kongreßzentrum am Alexanderplatz. Dort hatten sich rund 500 Personalvertreter der vier Anstalten öffentlichen Rechts versammelt, um gegen die Pläne zum Verkauf an private Betreiber Front zu machen.

Beschäftigte, die ans Mikrofon traten, unterstützten die harte Haltung ihres Vorsitzenden. Notfalls, so hieß, würden sich die Belegschaften auch mit öffentlichen Aktionen gegenseitig helfen, falls einer der Betriebe verkauft werden solle. Eine Resolution gegen die Privatisierung wurde ohne Gegenstimmen angenommen.

Lange erinnerte an den bei der Umwandlung der früheren Eigenbetriebe in Anstalten öffentlichen Rechts geschlossenen Tarifvertrag. Darin sei festgelegt, daß die Beschäftigten in den öffentlichen Dienst des Landes zurückkehren könnten, sollte die Rechtsform der Unternehmen noch einmal geändert werden. Werde diese Regelung bei einer geplanten Privatisierung ausgehebelt, so Lange, habe die Gewerkschaft das Recht zum Streik.

Nachdem der Senat seinen Mehrheitsanteil an der Bewag verkauft hat, ist nun auch die Veräußerung der Landesaktien der Gasag im Gespräch. Die ÖTV befürchtet, daß damit der Damm gebrochen ist und – um vorübergehend Löcher im Haushalt zu stopfen – der schnelle Ausverkauf aller großen öffentlichen Unternehmen einsetzt. Mit dem französischen Konzern Lyonnaise des Eaux und seinem deutschen Verbündeten Thyssen stehen bereits Interessenten für die Wasserbetriebe BWB bei Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) auf der Matte. Die beiden Konzerne bieten dem Land an, die Wasserver- und entsorgung ganz Berlins für zwei bis vier Milliarden Mark zu kaufen. Damit verbunden wäre aber vermutlich die herbe Reduzierung des Personals. Investorenvertreter Thilo Steinbach erklärte bereits, daß man die Aufgaben der Wasserbetriebe auch mit der Hälfte der heute noch 6.700 Beschäftigten erledigen könne. Auch bei der BVG bereitet sich der Vorstand bereits auf die privatwirtschaftliche Zukunft vor. Wie Uwe Nitzgen vom Gesamtpersonalrat gestern sagte, diskutiere die Chefetage gegenwärtig über die Verringerung der Belegschaft auf 13.000 MitarbeiterInnen bis 2000. Bislang galt 14.300 als Untergrenze. Heute beschäftigt die BVG noch knapp 20.000 MitarbeiterInnen. In der SPD kursiert ein Vorschlag, die Busse und Bahnen der BVG von Privatunternehmen betreiben zu lassen. Nach Angaben der ÖTV gingen schon von 1991 bis heute 25.000 Jobs bei den Betrieben Gasag, BVG, Bewag, BWB und BSR verloren. Hannes Koch

siehe Bericht Seite 23

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