: Freispruch für Safwan Eid steht bevor
■ Im Lübecker Brandprozeß wird die Staatsanwaltschaft auf Freispruch plädieren. Nach Informationen der taz ist sie bereit, heute dem Ende der Beweisaufnahme zuzustimmen. Bisher kein Bleiberecht für die Überlebenden
Berlin (taz) – Heute wird nach mehrwöchiger Pause der Prozeß um den Brand im Lübecker Flüchtlingsheim wiederaufgenommen. Mehr als 50 Beweisanträge sind noch gestellt; das Verfahren könnte dann noch Monate dauern. Doch sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung haben signalisiert, daß sie dem Verfahren ein Ende setzen wollen. Wie die taz aus Kreisen der Lübecker Justiz erfuhr, ist Staatsanwalt Michael Böckenhauer bereit, seine Anklage fallenzulassen und auf Freispruch für den Angeklagten Safwan Eid zu plädieren. Voraussetzung ist, daß auch die Verteidigung auf eine Fortsetzung der Beweisaufnahme verzichtet.
Der Sinneswandel der Anklagevertretung kommt nicht zufällig. Bei der vorläufigen Beweiswürdigung des Richterkollegiums vor einem Monat hatte der Vorsitzende Richter Rolf Wilcken den juristischen Ertrag aus 54 Verhandlungstagen für so gering erachtet, daß er „keine hinreichende Belastung“ Eids erkennen konnte. Zudem hält er es für „sehr fragwürdig“, daß ein Tatmotiv existiert.
Böckenhauer ließ schon vor Monaten erkennen, daß er für einen Freispruch plädieren würde, wenn seine Beweise nicht ausreichten, um die Zweifel an der Täterschaft Eids zu zerstreuen. Die Verteidigung des Angeklagten war von Anfang an überzeugt, daß mit ihrem Mandanten der Falsche vor Gericht stehe. Sie fordert, daß die Ermittlungen wieder aufgerollt werden. Ihrer Meinung nach sind vier rechtsradikale Jugendliche aus Mecklenburg- Vorpommern hinlänglich verdächtig, für den Brand im Januar vorigen Jahres verantwortlich zu sein. Aus einem Freispruch Eids würde allerdings nicht automatisch folgen, daß die überlebenden Hausbewohner ein Bleiberecht in der Bundesrepublik bekommen. Ihre Aufenthaltsgenehmigungen gelten nur bis zum Prozeßende. Der Vorschlag von Lübecks Bürgermeister Michael Bouteiller (SPD), ihnen als Geste der Versöhnung einen Verbleib in der Bundesrepublik zu gewähren, fand bei Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) bisher kein Gehör. JaF
Tagesthema Seite 3
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