Mehr als ein "ungutes Gefühl"

■ Zivilbeamter vom Vorwurf der Körperverletzung bei Eröffnung der Oberbaumbrücke freigesprochen. Angezeigter Faustschlag sei nicht nachzuweisen

Es wäre „unerhört“, wenn ein Zivilbeamter Thomas Behrendt einen Faustschlag versetzt hätte. Eine „grobe Form der Pflichtverletzung“, wenn es so gewesen wäre, wie der Nebenkläger schilderte. Doch der Richter glaubte dem Nebenkläger, der den angeklagten Polizisten eindeutig als den erkannt hatte, der ihm zur Eröffnung der Oberbaumbrücke am 9. November 1994 einen Faustschlag versetzt hatte, weniger als dem Polizisten. Andreas L., der den Tatvorwurf bestritt, wurde gestern freigesprochen (siehe taz vom 9. Mai 1997).

Nebenkläger Thomas Behrendt hatte sich Schwieriges vorgenommen: Ein mutmaßlicher Polizeischläger sollte der Körperverletzung im Amt überführt werden. Der ehemalige Mitarbeiter des Vereins SO36 wurde zur Eröffnung der Oberbaumbrücke nach eigenen Angaben und denen einer Zeugin „völlig grundlos“ von mehreren Beamten brutal hinter ein Absperrgitter abgeführt. Doch nicht der rüde Abtransport, von dem es Fotos und Videos gibt, war Gegenstand der Verhandlung, sondern ein Faustschlag, den der Angeklagte Behrendt versetzt haben soll, als dieser seine Dienstnummer verlangte. Weil es jedoch nur Aufnahmen von dem Abtransport, nicht jedoch von dem Faustschlag gibt, sah das Gericht die Schuld des 36jährigen Polizisten nicht als erwiesen an.

Den Angaben einer Zeugin, die den Faustschlag gesehen und den Angeklagten eindeutig wiedererkannt hat, wollte das Gericht nicht folgen, weil einige Details des über zweieinhalb Jahre zurückliegenden Vorfalls nicht exakt übereinstimmten. Behrendt hatte angegeben, daß der Polizist ihn von vorn ins Gesicht geschlagen habe, die Zeugin, daß der Schlag von hinten links gekommen sei. Als weitere Begründung führte der Richter an, daß der Schlag vor den Augen von „lauter Fotografen“ passiert sein müsse, die sich an der Absperrung befanden. Doch weil keiner für Behrendt ausgesagt habe, sei „nicht völlig auszuschließen“, daß Behrendt „möglicherweise gewissen Irrtümern erlegen ist“. Es könne zwar so gewesen sein wie von dem 35jährigen geschildert. Doch die Erkenntnisse des Gerichts könnten dies nicht beweisen.

Auch für die Staatsanwältin war „nicht richtig feststellbar“, wie es gewesen war. Sie räumte in ihrem Plädoyer auf Freispruch zwar ein, daß „solche Fälle immer ein ungutes Gefühl“ hinterließen. Doch Zweifel müßten „die Wirkung haben, daß die Tat nicht nachzuweisen ist“.

Wie bei Prozessen gegen Polizisten üblich, hackte auch gestern keine Krähe der anderen ein Auge aus. So sagte einer der drei Polizeizeugen, der zugegeben hatte, nicht das ganze Geschehen verfolgt zu haben, daß ein Faustschlag „etwas frech“ gewesen wäre, weil „immer Kameraleute dabei waren“. Für einen anderen war klar, daß sich Behrendt demonstrativ auf den Boden geworfen und geschrien habe, als ein Kamerateam filmte. Für Behrendt ist der Freispruch unfaßbar. Der Angeklagte habe ihn „völlig zur Unrecht ins Gesicht geschlagen“. Barbara Bollwahn