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Nigeria will jetzt in Sierra Leone eingreifen

■ Erste Kampftruppen sind bereits in Sierra Leone gelandet. Putschisten weisen Interventionn als unbegründete Gerüchte zurück. USA begrüßen die Militäraktion

Berlin (taz) – Mit Kampftruppen auf Kriegsschiffen hat Nigeria begonnen, militärisch gegen die Putschisten im westafrikanischen Sierra Leone vorzugehen, die am Sonntag mit einem Staatsstreich die Macht übernommen hatten. Drei nigerianische Kriegsschiffe mit einer unbekannten Anzahl von Soldaten landeten in der Nacht zu gestern im Hafen der Hauptstadt Freetown. Die nigerianischen Truppen, die aufgrund eines Militärabkommens mit der gestürzten Regierung schon in Sierra Leone stationiert sind, halten ohnehin den internationalen Flughafen besetzt und stehen im Ort Jui 20 Kilometer außerhalb von Freetown.

Sierra Leones Botschafter bei der UNO, James Jonah, hatte am Dienstag abend in New York erklärt, die demokratisch gewählte Regierung des gestürzten Präsidenten Ahmed Tejan Kabbah habe die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) um Hilfe zur „Wiederherstellung der Demokratie“ gebeten. Die von Nigeria dominierte Regionalorganisation Ecowas unterhält seit 1990 eine Friedenstruppe in Liberia, dem östlichen Nachbarland von Sierra Leone. Aus Liberia kommen jetzt auch die nigerianischen Kampftruppen. Gefragt, ob das eine Militärintervention bedeute, antwortete Jonah: „Wenn möglich, ja, was haben wir sonst? Einen Haufen Soldaten, die die Gefängnisse geöffnet haben. 600 Verbrecher sind herausgekommen und ziehen durch die Straßen.“

Bei Plünderungen und Lynchmorden in Freetown sind seit dem Putsch zwischen 20 und 100 Menschen ums Leben gekommen. Ein Sprecher des US-Außenministeriums sagte, die USA „begrüßen die Hilfe der nigerianischen Streitkräfte“ beim Schutz von Ausländern und der Verhinderung von Plünderungen. Neben den Nigerianern haben auch die USA ein Kriegsschiff mit 1.200 Marinesoldaten an Bord nach Sierra Leone beordert. Ein nigerianischer Diplomat verneinte jedoch jede unmittelbare Interventionsplanung: „Als Ecowas-Mitglied können wir ab und zu die anderen Mitgliedsländer besuchen“, sagte er.

Die Militärjunta von Major Koroma in Freetown sagte im Staatsrundfunk, Meldungen über eine nigerianische Intervention seien „unbegründete Gerüchte“. Zugleich suspendierte sie die Verfassung und die politischen Parteien. Aus dem Umland marschierten mehrere hundert Kämpfer der Guerillabewegung RUF („Vereinigte Revolutionäre Front“) zur Unterstützung der Putschisten in Freetown ein. Der Putsch war unter anderem mit der Nichteinhaltung des Friedensvertrages zwischen der RUF und der Regierung Kabbah begründet worden.

Ein erfolgreiches nigerianisches Eingreifen in Sierra Leone würde die Vormachtstellung Nigerias zementieren. Nigerianische Soldaten bewachen seit Jahren alle wichtigen öffentlichen Gebäude in Freetown und sind unter einem bilateralen Sicherheitsabkommen für die Ausbildung aller Sicherheitskräfte des Landes zuständig. Daß die Intervention eine demokratisch gewählte Regierung wiedereinsetzen würde, ist für Nigerias Militärjunta ein willkommener Nebeneffekt, der Nigerias schlechtes internationales Image nur verbessern kann. Dominic Johnson

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