: Keine neue Fristen für Vietnamesen
■ Verwaltungsgericht lehnt großzügigere Anrechnung von Wartezeiten für Bleiberecht von Vertragsarbeitern ab
Berlin (taz) – Das Berliner Verwaltungsgericht hat kein Einsehen mit Ex-DDR-Vertragsarbeitern. Auf die achtjährige Wartezeit für ein unbefristetes Bleiberecht werden wie bisher die Jahre vor 1993 nicht angerechnet. So urteilte gestern das Verwaltungsgericht Berlin zum Auftakt eines Musterprozesses.
Geklagt hatte die 46jährige Vietnamesin Le Thi Cuc Phuong, stellvertretende Vorsitzende der Vereinigung der Vietnamesen Berlin-Brandenburg. Sie kam 1987 als Vertragsarbeiterin in die DDR. Im Einigungsvertrag wurde die Situation von Vertragsarbeitern weitgehend ausgeklammert. Frau Phuong erhielt ein Aufenthaltsrecht nur für die Jahre, für die sie mit der DDR einen Vertrag geschlossen hatte. Die Macher des Einigungsvertrages gingen davon aus, daß die Vertragsarbeiter danach ausreisen würden. Erst 1993 rangen sich die Innenminister zu einer Regelung durch. Der Haken: Für die achtjährige Wartezeit auf ein Daueraufenthaltsrecht zählen erst die Jahre ab 1993. Frau Phuong wird erst im Jahr 2001 davon profitieren. Bis dahin haben sie und andere Betroffene weder Anspruch auf Bafög, Kinder-, Erziehungs- und Überbrückungsgeld vom Arbeitsamt noch auf andere Sozialleistungen. Derzeit liegt ein Antrag Sachsen-Anhalts im Vermittlungsausschuß zwischen Bundestag und Bundesrat, der eine Anerkennung aller legalen Aufenthaltszeiten fordert. Während der Bundesrat dafür plädiert, konnte sich der Bundestag auf Druck des Freistaates Sachsen nur zur Anerkennung der halben DDR-Aufenthaltszeiten durchringen. Phuongs Anwältin Petra Schlagenhauf verwies auf eine paradoxe Situation, die ab November eintreten wird: Einige Vietnamesen, Angolaner und Mosambikaner sind seit November 1989 über die offene deutsch-deutsche Grenze gegangen und haben im Westen einen Asylantrag gestellt. Da Zeiten im Asylverfahren angerechnet werden, steht ihnen ab November ein Daueraufenthaltsrecht zu. Doch auch Ehepartner ehemaliger Vertragsarbeiter, die ab 1990 mit einem Asylantrag aus Vietnam nachgeholt wurden und den Asylantrag nach 1993 zurückzogen, werden eher in den Genuß eines Daueraufenthaltsrechts kommen als ihre Partner, die in die DDR einreisten. Marina Mai
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