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Das Recht auf Religionsunterricht ist in den meisten deutschen Bundesländern in der Verfassung festgeschrieben. Doch nur eine Minderheit der muslimischen SchülerInnen kann dieses Recht in Anspruch nehmen. Auch die bisherigen Konzepte für ei

Das Recht auf Religionsunterricht ist in den meisten deutschen Bundesländern in der Verfassung festgeschrieben. Doch nur eine Minderheit der muslimischen SchülerInnen kann dieses Recht in Anspruch nehmen. Auch die bisherigen Konzepte für einen „Islamunterricht“ sind umstritten. Die beiden christlichen Kirchen setzen sich für eine Förderung der Islamkunde ein.

Das Kreuz mit Allah an den Schulen

Im Kapitel IV der Unterrichtsrichtlinien steht das Lernziel „Liebe zum Vaterland“, Unterpunkt: „Auch im Ausland denken wir an unsere Heimat“. Das liebebedürftige Vaterland ist die Türkei, der Unterrichtsort eine staatliche Grundschule irgendwo in Bayern. Über 500.000 türkischstämmige Kinder und Jugendliche verbringen ihre Vormittage in deutschen Schulen, in vielen Klassen stellen sie die Mehrheit, und die allermeisten von ihnen sind Muslime. Daß diese SchülerInnen mit einer anderen Muttersprache aufgewachsen sind, haben die Schulpolitiker längst in Lehrplänen berücksichtigt. Daß sie eine andere Religion haben, nimmt das deutsche Bildungssystem nicht immer zur Kennntis.

Wechselnde islamische Gruppierungen drängen deshalb, ein Äquivalent zum christlichen Religionsunterricht zu schaffen – nicht ohne sich gleich als selbsternannte Träger dafür anzudienen. Vor allem die evangelische und die katholische Kirche unterstützen die Forderung nach einem Islamunterricht – paradox auf den ersten Blick, auf den zweiten nur logisch, denn die Kirchen suchen nach Mitstreitern in ihrem Kampf gegen eine weitere Säkularisierung des Bildungssystems und gegen die Verdrängung des Religionsunterrichts.

Juristisch haben die Protagonisten einer schulischen Islamkunde keine schlechten Karten, denn die meisten Bundesländer haben das Anrecht auf Religionsunterricht an öffentlichen Schulen in ihrer Verfassung verankert. Und nirgendwo steht geschrieben, daß es ein christlicher zu sein hat. Kommissionen der Kultusminister von Bund und Ländern brüten seit Anfang der 80er Jahre über der Problematik. Die Frage ist nicht mehr, ob es einen Islamunterricht an deutschen Schulen geben soll, sondern eher, wie er aussehen soll und vor allem, wer ihn erteilt.

Denn anders als bei den christlichen Konfessionen gibt es im Islam keine autorisierte Instanz oder unangefochtene Dachorganisation, die die Trägerschaft übernehmen könnte. Ein Dilemma, aus dem weder die zersplitterte islamische Gemeinde noch die Kultusminister bisher einen Weg gefunden haben. Es herrscht ein konzeptioneller Wildwuchs von zum Teil fragwürdigen Modellen.

In den meisten Bundesländern ist Islamunterricht bis heute ein blinder Fleck im Lehrplan. Bestenfalls nach Unterrichtsschluß wird „religiöse Unterweisung“ angeboten, durch vom türkischen Konsulat gestellte Lehrer, ein kaum kontrollierbares Angebot unter dem Dach der staatlichen deutschen Schulaufsicht. Etliche Länder wie etwa Hamburg, Niedersachen oder Rheinland-Pfalz suchen andere Lösungen. Dort sollen von deutschen Schulen ausgewählte und angestellte Lehrkräfte innerhalb des muttersprachlichen Ergänzungsunterrichts auch „religiöse Unterweisung“ vermitteln. Ein flächendeckendes Angebot oder gar einen Anspruch auf diesen Unterricht gibt es jedoch nicht. Allein das katholische Bayern, Hüter des konfessionellen Einflusses an öffentlichen Schulen, hat den Islamunterricht zum Regelfach gemacht. An bayerischen Volksschulen steht für türkische Kinder „religiöse Unterweisung für Muslime“ auf dem Stundenplan, immer dann, wenn die christlichen Mitschüler im Religionsunterricht die Hände falten. Das Bayerische Kultusministerium hat dafür eine umstrittene Kooperation gewählt, Kritiker halten sie gar für „verfassungswidrig“: Der Unterricht unterliegt zwar der bayerischen Schulaufsicht, doch die Lehrinhalte sind vom türkischen Erziehungsministerium diktiert. Auch die Lehrkräfte leiht Ankara aus: ausgestattet mit einem Zeitvertrag und meist ohne Deutschkenntnisse müssen sie nach drei bis fünf Jahren wieder in die Türkei.

Anders als Bayern hat Nordrhein-Westfalen bereits vor zehn Jahren ein eigenes Curriculum für den Islamunterricht erarbeitet, das als vorbildlich gilt. Eigens entwickelte Schulbücher und Lehrerfortbildungen sollen dafür sorgen, daß eine Brücke geschlagen wird zwischem dem Alltag in Deutschland und dem Islam und seinen kulturellen Traditionen. Doch anders als der christliche wird der islamische Religionsunterricht vom Stundenkontingent des muttersprachlichen Ergänzungsunterrichts abgeknapst. Darüber hinaus ist der Unterricht allein sunnitisch ausgerichtet und grenzt damit alewitische SchülerInnen aus und – da er im Rahmen des türkisch-muttersprachlichen Unterrichts stattfindet – auch die muslimischen Kinder nichttürkischer Herkunft. „Muttersprachlichen Unterricht gegen Religionsunterricht aufzuwiegen, kann kein vernünftiges Konzept sein“, kritisiert Sanem Kleff, Vorsitzende des Bundesausschusses für multikulturelle Erziehung bei der GEW.

Aber auch die Lehrergewerkschaft selbst hat noch kein klares Konzept gefunden: Einerseits steht man aus einem laizistischen Grundverständnis heraus jeglichem Religionsunterricht kritisch gegenüber, andererseits drängt man – solange die katholische und evangelische Kirche noch ihren Fuß in der Schultür haben – auf Gleichbehandlung der Muslime. Diese Gleichbehandlung machen islamische Gruppierungen geltend, doch kaum eine wird vor Gericht den erforderlichen Nachweis erbringen können, daß sie als alleinige unbestrittene religiöse Autorität Träger dieses Unterrichts sein könnte. Muslimische Eltern selbst haben bisher noch nicht versucht, islamischen Religionsunterricht einzuklagen. Käme es zu einem solchen Musterprozeß, dann könnte das Thema, das viele Bildungspolitiker erfolgreich verdrängen, eine plötzliche Dynamik bekommen. Vera Gaserow

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