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Verteidigungsminister boykottiert das Kabinett

■ Die türkische Regierungskoalition ist in der Dauerkrise. Der Staatspräsident fordert Neuwahlen, Tansu Çiller fordert die Macht. Oder Neuwahlen. Oder beides

Ankara (dpa/rtr/taz) – Die islamistisch-konservative Koalitionsregierung der Türkei hat sich nach Informationen des türkischen Nachrichtensenders NTV auf vorzeitige Wahlen geeinigt. Wie der Sender gestern weiter berichtete, haben sich die Kabinettsmitglieder darauf verständigt, Stillschweigen zu wahren und die Öffentlichkeit „behutsam zu informieren“. Das Kabinett war am Dienstag abend erstmals nach fast acht Wochen wieder zusammengetroffen.

Unmittelbar nach der Kabinettssitzung hatte Regierungssprecher Abdullah Gül gesagt, der islamistische Ministerpräsident Necmettin Erbakan und seine konservative Koalitionspartnerin Tansu Çiller stünden in einer „Front für Demokratie“ gemeinsam. Das Kabinett agiere „in großer Solidarität“ und werde „bei Bedarf Neuwahlen beschließen“. Immerhin habe man „sehr gute Arbeit geleistet und die Weizen- und Rübenpreise zur höchsten Zufriedenheit der Bauern festgelegt“.

Aber Weizen und Rüben sind noch keine Perspektive. Nach einem Bericht von NTV kündigte Verteidigungsminister Turhan Tayan, ein Parteifreund Çillers, einen Boykott der Kabinettssitzungen aus Protest gegen die Fortsetzung der Koalition mit Erbakan an. Tatsächlich hatte er nicht an der Sitzung teilgenommen.

Und auch aus Çillers Partei des rechten Weges (DYP) waren gestern vor der Fraktionssitzung ganz andere Töne zu vernehmen. Die Fortsetzung der Koalition sei unmöglich, hieß es da, und schließlich forderte Tansu Çiller, Erbakan solle die Führung der Regierung vorzeitig an sie abgeben – sie werde dann Neuwahlen zur Beendigung der innenpolitischen Krise abhalten. Für Neuwahlen hat sich auch der türkische Staatspräsident Süleyman Demirel ausgesprochen. Nach der bisherigen Koalitionsvereinbarung soll Erbakan das Amt erst 1998 an Çiller übergeben. Wahlen sind turnusgemäß erst im Jahr 2000 fällig.

Gestern trafen sich Erbakan und Çiller in Ankara zu einem weiteren Gespräch. Was dabei herauskam, wurde zunächst nicht bekannt. Auch das Präsidium der Wohlfahrtspartei (RP) von Erbakan traf sich zur Erörterung der weiteren innenpolitischen Entwicklungen.

Nach einem Bericht der Zeitung Cumhuriyet will der Nationale Sicherheitsrat, in dem die türkischen Militärs den Ton angeben, auf seiner Sitzung am Samstag von der Regierung weitere Maßnahmen zur Eindämmung des Islamismus verlangen. Der Verfassungsparagraph gegen den Mißbrauch der Religion für politische Ziele soll danach verstärkt angewendet werden. Außerdem sollen islamistische Aktivisten aus den Universitäten und den Justizbehörden entlassen werden. Derartige Beschlüsse dürften die Koalitionskrise noch weiter anheizen.

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