Durchs Dröhnland
: Größe im Scheitern

■ Die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Nachdem man von Blumfeld in letzter Zeit nichts mehr hört und Tocotronic jetzt den Bravo- LeserInnen gehören, können sich die enttäuschten und Alleingelassenen leicht auf Die Sterne einigen. Die haben zwar ihren Funk zu den Akten gelegt und rutschen auf ihrer Ende Juni kommenden Platte sogar leicht ins Liedermacherhafte, aber haben immer noch ausreichend knusprige Zeilen und auch eine zuckersüße Hammondorgel im Angebot. „Alles hängt ja nur am Geld“, outet sich Frank Spilker nicht zum ersten Mal als einer der letzten Moralisten, und man möchte ihm zurufen: Weiter so, Mensch Frank du, und den Groove nicht vergessen!

30.5., 22 Uhr, Insel, Treptow

Ein wenig öfter gesehen haben Gumdrum wohl „Themroc“. Ihre Mischung aus herkömmlichem Schlagwerk, allem Betrommelbaren und elektronisch erzeugten Instrumenten ist mit archaisch aber auch nur unzureichend beschrieben. Live unterstützt das Projekt aus den Niederlanden seine selten hypnotischen, dafür aber meist verstörenden Klangexperimente mit Feuerwerk, schamanistischen oder chinesischen Ritualen und dem einen oder anderen Zirkustrick.

30.5., 23 Uhr, Eimer, Rosenthaler Straße 68

Der inzwischen im Fränkischen ansässige Kevin Coyne hat sich für sein bisher letztes und insgesamt 34. Werk ein dickes, buntes Ding von Doppel-CD, den seit den 70ern weit gereisten Gitarristen Gary Lucas und Flowerporno Tom Liwa in die Band geholt. Beide haben beim Songschreiben geholfen, Liwa zusätzlich produziert. Nun kann man von Coyne keine wegweisende Platte erwarten, aber auch mögliche Modernisierungen muß man mit der Lupe suchen. Statt dessen wirkt „Knocking on Your Brain“ schon fast wie ein Vermächtnis: Es gibt den üblichen stolperigen Funk, die knödeligen Monologe und mit „Day & Night“ eine Soul-Ballade, mit der sogar Van Morrison was anfangen könnte. Kurz gesagt, Coyne bleibt immer Coyne, aber schon lange war Coyne nicht mehr besser.

30.5., 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36–39

Die erste Tat von FreshFabrik war eine Coverversion von „San Francisco“. Seitdem keine Scherze mehr, sondern ausdauerndes Herumackern zwischen HipHop und Hardcore. Das Ganze ohne Sampling, mit echten Instrumenten, eher brachial als mit Finesse, aber das Quintett aus Budapest hat seine Beastie Boys ausführlich studiert.

31.5., 21.30 Uhr, Schoko-Laden Mitte, Ackerstraße 169/170

„Klar ist, daß ich derjenige bin, der zuviel denkt“, singt Vincent Wilkie, und ganz offensichtlich ist das sein Problem. Nicht unseres. Denn die Musik, die der süddeutsche Egomane als lotte ohm. herausbringt, ist ganz und gar wundervoll. Ein Stück heißt zwar „Diskursdisko“, und auch die restlichen Seitenhiebe auf die Hamburger Schule sind nicht besser versteckt, aber das Dissing hat man vielleicht vom HipHop gelernt, die sanft rollenden Beats vom TripHop, die Selbstreflexion bei den Kollegen von der Waterkant. Einmal wünscht sich der Vincent, er wäre Thurston Moore, nur um dann festzustellen: „Hätte ich die Brille von Lou Reed, könnte ich auch nicht klarer sehen.“ Herzallerliebst, das ist Größe im absichtlich geplanten Scheitern. Gunpowder Electric dagegen haben tatsächlich was von Lou Reed – aber eigentlich ist das zu weit hergeholt. In den Texten läßt sich trotz aller absichtsvollen Witzigkeit ein gewisses unsicheres Jungmännertasten zwar nicht verleugnen, außerdem daddeln die Songs des Duos ohne große Emotionswallungen dahin – wenn sie nicht gerade plötzlich Kindergartensoul machen. Es gibt sogar mal abgehangene Gitarren, meistens aber eigentlich keine Musik, sondern nur so ein Klappern im Hintergrund, das sich aber allezeit ziemlich klasse anhört. Wenn es noch Lieblingsbands geben sollte, wären zwei Kandidaten gefunden.

31.5., 21 Uhr, Trash, Oranienstraße 40/41

Arto Lindsay hat in der Knitting Factory ein Benefiz-Konzert für Blonde Redhead organisiert, damit sich die Band einen Anwalt leisten kann: Sie sollte aus den USA rausgeworfen werden, weil die beiden italienischen Brüder und die beiden Japanerinnen sich jahrelang mit Studentenvisa in New York rumtrieben. Künstlerische Gründe waren von Behördenseite nicht ausschlaggebend, auch wenn sich das Quartett auf die arty Lärmtraditionen ihrer Wahlheimat beruft.

31.5., 21 Uhr, Tacheles, Oranienburger Straße 53–56

Nach diesem Abend wird man vermutlich den Eindruck haben, daß die Schweiz sich in einem Urheberrechtsprozeß die Rechte an ausufernden Crossovern gesichert hat. Sowohl The Failures, als auch Van Dan und X-Rated bringen zusammen, was besser getrennt geblieben wäre, und tragen dabei des öfteren so dick auf, daß es der Sache nicht zuträglich ist.

3.6., 21 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176

Schluß mit dem Murren, Menschen werden nun mal älter. Und wer in der Punkzeit noch lange nicht volljährig war und trotzdem eine der wundervollsten Punkpop-Platten aller Zeiten verbrechen konnte, kann kein schlechter Mensch sein. Seitdem rennen Redd Kross zwar beständig hinter diesem ersten Sensationserfolg her, machen aber immer wieder hübsch eingängige Platten, versuchen sich mal ein bißchen an den 60ies, ohne dabei allerdings allzu psychedelisch zu werden, schütteln noch ein paar niedliche Melodien aus dem Ärmel und wehren sich nicht mal dagegen, inzwischen völlig unmodern zu sein. So gehören sie zu der Sorte Band, bei der man weiß, auf was man sich verlassen kann. Und das ist doch schön.

3.6., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz Thomas Winkler