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„Most Funky Themenwochenende“

Jahrelang hat das Kongreßwesen in Sachen Popkultur und -theorie einen größeren Bogen um Berlin gemacht – jetzt ist es doch noch angekommen. Ein, nein das „most funky Themenwochenende aller Zeiten“ verspricht – neben einer Ankündigung des neuen Kresnik und allerhand Theaterhaftem – der Flyer der Volksbühne für heute, morgen und Sonntag. Die „Jugendmusikfestspiele 97“, so der Name in Anspielung auf die Osttradition des Hauses, wollen eine Plattform sein für das vergleichsweise neue Versammlungsphänomen Club. „Für drei Tage arbeiten die Abteilungen Musik, Gestaltung und Theorie auf Höchsttouren, nicht um die vielerorts propagierte ,Unity‘ zu erreichen, sondern um Club Culture in ihrer großartigen Vielfältigkeit zu präsentieren und zu zelebrieren.“ Bloß: „Was geht ab in Clubs? Wieso gehen alle hin? Was hat das alles zu bedeuten?“

Dick Hebdidge, Pionier der Cultural Studies, wird am Eröffnungsabend multimedial in die „History of Club Culture“ einführen, DJ Günther Discher, schon über 70, erzählt von der Swing-Jugend, einer amerikanophilen Fan-Enklave während der Nazizeit. Praktisch alle, die in letzter Zeit publizistisch zum Thema Club/Dance/Trance/ DJ-Wesen hervorgetreten sind, werden im Diskussionsteil, auf diverse Foren verteilt, leibhaftig vertreten sein: Rainald Goetz und Westbam, die gemeinsam ein Buch über den DJ als modernen Illuminaten gemacht haben, der Linkshegelianer Ulf Poschardt mit seiner wissenschaftlichen Arbeit zur Kunst des Plattenauflegens, der Schweizer Kurator Paolo Bianchi, der einen Band des „Kunstforum“ zum Thema „Cool Club Cultures“ herausgegeben hat. Dazu Vorträge und Diskussionen über „Distribution, Vermarktung, Musik“, „Widerstandsrituale und Pop-Plateaus“, einen Eßperformer, den Ex-AAO-Kommunarden Theo Altenberg, Friedrich Kittler, DJs aus sämtlichen Regionen des mittlerweile extrem diversifizierten Elektronik-Jungles.

Als Gemeinsames läßt sich fürs erste bloß ein mutwilliges Crossover der Themen und Sparten ablesen: Bühnen zu Tanzflächen, Toiletten zu Kunsträumen, Theoretiker zu Mixern, alle zu Performern, und das auf sämtlichen Ebenen der Castorfschen Volksbühne, die solches „mittlerweile zum Markenzeichen“ gemacht hat, wie es in der Ankündigung heißt. Ganz schön viel Bündelung also für so ein 72stündiges Wochenende, das obendrein dem Kampf „für einen neuen radikalen Chic“ gilt. Wenn es nicht ganz so glamourös wird, haben sich wenigstens alle mal gesehen. tg

Nähere Infos zum Programm unter (030) 247 67 72

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