Press-Schlag: "Danke für nichts"
■ Die Schlechtesten feiern am besten
Gemeinhin sollte man annehmen, daß am Schluß einer Fußball-Saison die beste Stimmung bei jenem Verein herrscht, der Meister geworden ist, tiefe Trauer bei den Absteigern und hemmungloser Jubel dort, wo die größte Sensation geschafft wurde. Das wäre hierzulande beim VfL Bochum, der, anstatt abzusteigen, wie sich das eigentlich gehört hätte, plötzlich den Uefa-Cup unsicher macht.
Nicht so in der Bundesliga. St. Pauli und Freiburg hatten genügend Zeit, sich an den Gedanken zu gewöhnen, im nächsten Jahr in Unterhaching, Fürth oder Zwickau gastieren zu müssen, und vor allem am Millerntor herrschte beim standesgemäßen 0:2 gegen Duisburg eine großartige Atmosphäre. Während die HSV- Fans ihr komischerweise nicht abgestiegenes Team mit dem Transparent „Danke für nichts“ verhöhnten, ließen sich die Pauli-Anhänger nicht einmal dadurch beirren, daß der neue Coach Krautzun ein ähnlicher Miesepeter ist wie der gefeuerte Maslo. Ein Fan brachte die Vorteile der Talfahrt schließlich in einem Satz auf den Punkt: „Zweite Liga ist okay. Da wird das Bier wieder billiger.“
In Freiburg war der festliche Abschied von der Bundesliga gleichzeitig ein Abschied von 16 Spielern, und Michael Frontzeck, einer der wenigen, die bleiben dürfen, bestaunte eine neue Erfahrung: „Ich habe es in meiner so langen Fußball-Karriere noch nicht erlebt, daß in so einer Situation am Trainer festgehalten wurde und die Mannschaft ausgetauscht wird.“
Gelassenheit herrscht inzwischen auch beim VfB Stuttgart, der den besten Fußball spielte, die zweitwenigsten Tore kassierte und die meisten schoß, bloß zur falschen Zeit. Die Schwaben wissen, daß sie auch künftig vorn mitspielen werden, zumal sie ihr zeterndes Dreieck mit Jonathan Akpoborie kongenial geflickt haben, nachdem Giovane Elber ja bei den Bayern unbedingt der neue Klinsmann werden wollte.
Der alte Klinsmann traute sich am Bökelberg kaum, die Meisterschale in die Hand zu nehmen, vergaß aber nicht, zum Abschied noch einmal kräftig nachzutreten, gegen alles, was sich beim Meister bewegt – oder auch nicht. Hoeneß, Beckenbauer, Rummenigge, allesamt Marionetten der Bild- Zeitung, eine Mannschaft, die nach „Showeffekten“ zusammengesetzt ist, und ein Trainer, der nicht merkt, daß er keinen Spielmacher hat. Hat er aber wohl doch gemerkt, der Trap, sonst wäre er ja nicht an Dariusz Wosz interessiert, der die Bochumer aus jauchzenden Höhen ins Jammertal stürzte, weil er partout nicht beim VfL bleiben will. Nach München möchte er aber auch nicht, sondern lieber nach Spanien, was immerhin zeigt, daß seine Intelligenz etwas weiter reicht als bis zum Spielfeldrand. Bei den Bayern wäre dies nicht unbedingt die idealste Voraussetzung. Matti
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen