: Im Gesetzesdschungel verheddert
■ Die neuen Bestimmungen zur Sozialhilfe für Asylbewerber haben auch Sozialdemokraten mit gebilligt – versehentlich
Berlin (taz) – Das gestern in Kraft getretene neue Asylbewerberleistungsgesetz sieht Sozialkürzungen für weitaus mehr Flüchtlinge vor als ursprünglich geplant. Weil die sozialdemokratischen Kritiker des Gesetzes im Paragraphendschungel offenbar den Überblick verloren hatten, haben sie eine Novellierung abgesegnet, die ausnahmslos allen Asylbewerbern und Flüchtlingen ein Leben unter Sozialhilfeniveau bis zum Jahr 2000 verordnet.
Bis zur Jahrtausendwende werden Flüchtlinge zudem nur noch Anspruch auf eine medizinische Minimalversorgung haben. Selbst den Grünen dämmerte es erst mit Verspätung, „welche Dimension die Gesetzesänderung tatsächlich hat“. Nach monatelangem parlamentarischem Hickhack um das Gesetz habe am Ende „einfach niemand mehr verstanden, was da wirklich verabschiedet wurde“.
Nach dem neuen Asylbewerberleistungsgesetz erhalten nicht nur Asylbewerber, sondern auch Bürgerkriegsflüchtlinge um 20 Prozent gekürzte Sozialhilfe, die möglichst in Sachleistungen oder Wertgutscheinen gewährt werden soll. Statt ein Jahr lang wie bisher werden Flüchtlinge künftig drei Jahre mit diesem Existenzminimum zweiter Klasse leben müssen. Eine Zeitspanne, die der SPD immer als unzumutbar galt, die aber unter dem Druck auch der sozialdemokratisch regierten Bundesländer im Vermittlungsausschuß eine Mehrheit fand.
Was kaum jemand realisierte: Der dort verabschiedete Gesetzestext bezieht auch Asylbewerber und geduldete Flüchtlinge ein, die bereits seit Jahren in Deutschland leben. Denn anders als bisher hängen Leistungskürzungen nicht vom Zeitpunkt der Einreise und der Dauer des bisherigen Aufenthalts ab. Statt dessen soll für alle der Stichtag 1. Juni gelten. Von da an läuft die Dreijahresfrist. Erst nach deren Ablauf erhalten auch jene Flüchtlinge die volle Sozialhilfe, die längst in der Bundesrepublik integriert sind.
Eine geplante Übergangsregelung, die dieser Gruppe einen Bestandsschutz garantieren sollte, ist im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens fast unbemerkt unter den Tisch gefallen. Der Kreis derer, die künftig unter Sozialhilfeniveau leben müssen, dürfte die Millionengrenze überschreiten. Vera Gaserow
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