: Reli ist unwichtig
„Spiegel“ spezial: Die Klasse von Oberlehrer Aust kürte die beste Schülerzeitung ■ Von Claudia Thomsen
Eine Stunde dauerte die Preisverleihung des ersten Spiegel- Wettbewerbs „Die Schülerzeitungen des Jahres“ – aber in dieser kurzen Zeit haben die gekürten Redaktionsteams mehr gelernt als in zwanzig Wochen Schule. Am Pult stand schließlich Stefan Aust, Oberstudienrat des Lebens.
Der verteilte nebenbei die Preise: in Glasröhren eingeschweißte Spiegel-Jubiläumshefte, Anzeigenaufträge und Computer. Am meisten hatten die Schüler des Hamburger Gymnasiums Dörpsweg zu schleppen, denn ihre Zecke gefiel der Jury am besten. Damit aber die Macher der 1.488 vergeblich eingesandten Schülerblätter nicht mit leeren Händen dastehen, reichen wir hier die wichtigsten Lektionen der Stunde nach.
Lektion 1: Wenn man zur zukünftigen Info-Elite zählen will, kann man mit der Karriereplanung nicht früh genug beginnen. „Oben“ in der Redaktionskonferenz sitzen nämlich laut Aust genauso viele Schülerzeitungsredakteure wie „hier unten“. Und noch besser: Aust (50) war selber mal einer, sogar ein toller. Weswegen er auch sehr bedauerte, seine eigene Schülerzeitung wir, die „immer wieder bei der Schulleitung aneckte“, nicht mitgebracht zu haben. Die hätte nämlich garantiert „den ersten Preis gemacht“.
Lektion 2: Wer nicht fragt, bleibt nicht nur dumm, sondern auch ohne Job. Sabina Schmidt, Preisträgerin in der Kategorie Schule/Bildung, erkundigte sich beim Chefredakteur „nur mal so“ nach Möglichkeiten, bei „Spiegel TV“ zu volontieren. Und weil junge Frauen dort immer gern gesehen sind, machte es Aust kurz: „Sie haben den Job!“ Schließlich lautete das Motto des Wettbewerbs „Begegnung der Generationen“.
Lektion 3: Reli ist nicht so wichtig für die Medienkarriere. Wie sonst ist es zu erklären, daß die Schülerzeitung Propagandhi (Dresden) von der Jury immer und immer wieder „Propaghandi“ geschrieben wurde? Eine derartige Ignoranz hat man im fernen und nahen Osten nicht verdient! Die Gäste aus den neuen Bundesländern waren schließlich die einzigen, die sich zur Auflockerung der kragensteifen Veranstaltung etwas hatten einfallen lassen. Sie überreichten dem Spiegel Bautzener Senf, Nordhäuser Doppelkorn und Würstchen aus Sachsen.
Beim Spiegel freute man sich derweil diebisch darüber, angeblich smarter gewsen zu sein als Konkurrent Focus, bei denen sich Titanic-Mitarbeiter als Schülerzeitungsredakteure ausgegeben hatten (taz vom 31.5.). Stolz berichtete Aust, daß man „schon bei der ersten Anfrage“ gemerkt habe, daß hinter dem Bewerber „Neue Frankfurter Schule“ das Satiremagazin steckte.
Sonst ist es aber mit dem Merken nicht so weit her: Denn daß die Schüler ausgerechnet ins kegelklubkompatible Buddy-Holly- Musical geladen wurden, zeigt, daß die Klasse Aust ihr Abi schon recht lange absolviert hat.
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