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Das PortraitSchwarze Integrationsfigur

■ Betty Shabazz

Betty Shabazz, Witwe von Malcolm X und jetzt Opfer eines Familiendramas Foto: AP

32 Jahre nach dem Mord an dem US-amerikanischen Schwarzenführer Malcolm X hat das Verbrechen seine Familie noch einmal heimgesucht. Als damals die Schüsse in einem New Yorker Ballsaal fielen, saß seine Frau Betty Shabazz mit ihren vier Töchtern und mit Zwillingen schwanger in einer hinteren Reihe. Sie konnte ihrem Mann nicht helfen. Heute liegt Betty Shabazz selber mit Verbrennungen dritten Grades im Krankenhaus – offenbar Folge eines Mordversuchs des eigenen Enkels.

Sieben Jahre lang war Betty Shabazz mit dem charismatischen und radikalen Wortführer des schwarzen Amerika verheiratet gewesen, der sich vom Mainstream der gewaltlosen Bürgerrechtsbewegung abgewandt hatte und sich dennoch nicht mit dem esoterischen Gehabe der „Nation of Islam“ anfreunden konnte. Zwischen den Stühlen saß auch Betty Shabazz. Sie trat das geistige Erbe ihres Mannes an, der für ein aggressiveres Vorgehen gegen das weiße Amerika eintrat, und verschrieb sich doch der Gewaltlosigkeit. Das materielle Erbe von Malcolm X ermöglichte ihr ein Studium und die Erlangung eines Doktortitels in Pädagogik. Seit 1976 lehrte sie an einem College in Brooklyn.

Das Trauma des Mordes aber lebte als Fluch in ihrer Familie fort. Von ihren sechs Töchtern machten alle ihren Weg bis auf eine: Qubilah. Sie hatte den Mord an ihrem Vater miterlebt – und 1995 wurde sie beschuldigt, die Ermordung von Louis Farrakhan, Führer der „Nation of Islam“, geplant zu haben. Sie glaubte, er sei für den Mord an ihrem Vater mitverantwortlich. Betty Shabazz wuchs die Aufgabe zu, die Spaltung im schwarzen Lager zu verarbeiten. Sie versöhnte sich 1995 öffentlich mit Farrakhan, die Staatsanwaltschaft sah von einer Strafverfolgung Qubilahs ab, und die verpflichtete sich zu einer Therapie.

Doch das Trauma des Mordes wirkte auch in die nächste Generation fort. Qubilahs zwölfjähriger Sohn gilt als schwererziehbar. Der Enkel von Malcolm X kam zur Großmutter nach Brooklyn, fühlte sich dort nicht wohl, goß im Flur der Wohnung Benzin aus und wartete auf die Oma.

Nun ringt Betty Shabazz mit dem Tod. Abordnungen Farrakhans kamen zu ihr ans Krankenbett. Abermals scheint auf sie die Rolle einer Integrationsfigur zuzukommen. Peter Tautfest

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