: Vollzugskontrolle auf Schritt und Tritt
■ Justizsenator Hoffmann-Riem will die elektronische Fessel in Hamburg einführen
Verbrecher, zeigt her eure Füße. Bindet euch einen Sender ums Sprunggelenk und verlaßt die Knäste. Geht es nach Justizsenator Wolfgang Hoffmann-Riem, sollen in Hamburg bald Kriminelle mit elektronischen Fesseln statt mit Haft bestraft werden. Gestern lud der parteilose Senator den US-amerikanischen E-Fessel-Produzenten „BI Home Escort“zu sich ein.
Dessen Berater präsentierten einen Sender in Zigarettenschachtelgröße, mit einem Plastikriemen ums Fußgelenk zu schnallen. Gekoppelt ist er mit einem Empfänger in der Wohnung des Straftäters. Wenn der elektronisch Gefesselte sein Haus betritt, aktiviert der Sender den Empfänger. Der berichtet über die Telefonleitung einem Computer zum Beispiel: „19 Uhr. Person kommt nach Hause.“Der Computer vergleicht die Infos mit einem gespeicherten Tagesplan. Kommt heraus, daß der Überwachte eigentlich um 18 Uhr daheim sein sollte, alarmiert der Rechner die Polizei.
Mehr als 1,25 Millionen Menschen haben in den USA seit 1984 so eine Fessel getragen. In Europa nutzen die Niederlande und Schweden das System. „Eine Totalüberwachung ist es nicht“, versicherte Hoffmann-Riem gestern. Wohin der Gefesselte in seiner Freizeit gehe, kontrolliere man nicht. So soll das Fußband „eine Gerechtigkeitslücke zwischen Gefängnis und Bewährung füllen“. Denn eine schwere Sanktion sei die Fessel für die Betroffenen allemal.
Daß die Überwachung Sinn macht, davon will der Senator bei der Justizministerkonferenz in der kommenden Woche auch die anderen Bundesländer überzeugen. „Die Fessel könnte Gefängnisse entlasten“, glaubt Hoffmann-Riem. Außerdem könnten Straftäter bei ihren Familien bleiben und ihren Arbeitspaltz behalten.
Bisher ist die deutsche Rechtsprechung für solche Ideen unempfänglich. Um die Fessel als Gefängnis-Alternative zu nutzen, müßte das Strafgesetzbuch geändert werden. „Als Auflage oder Lockerungsentscheid wäre sie aber möglich“, meint Hoffmann-Riem. Er möchte den Sender nur Menschen umbinden, die „nicht gefährlich sind“, vermutlich nicht flüchten und eine Wohnung sowie einen Job haben.
Wieviel billiger die Fessel im Vergleich zum Knast ist, habe man noch nicht ausgerechnet. Der Senator weiß aber: Um die Skeptiker zu überzeugen, sind in Sachen E-Fessel nur kleine Schritte möglich. „Erstmal wird es vermutlich einen Feldversuch geben. Ob in Hamburg, Berlin oder anderswo.“
Judith Weber
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