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Hessen importiert Giftmüll aus Italien

Bündnisgrüne Umweltministerin Nimsch genehmigte Sondermüllimport zur Verbrennungsanlage in Biebesheim. Grüne Parteimitglieder drohen mit dem Austritt  ■ Aus Wiesbaden Klaus-Peter Klingelschmitt

Müll- und Giftmüllexporte aus Hessen in andere Länder oder auf Deponien in den neuen Bundesländern sind seit der Machtübernahme von SPD und Bündnisgrünen 1991 politisch unerwünscht und finden faktisch nicht mehr statt. Doch wie steht es mit dem Import von Sondermüll nach Hessen? Den hat die amtierende Umwelt- und Gesundheitsministerin Margarete Nimsch (Bündnisgrüne) jetzt mit Hinweis auf das Hessische Abfallgesetz und die bundes- und europarechtlichen Rahmenbedingungen genehmigt. Seitdem hängt der Haussegen bei den hessischen Grünen schief; in Biebesheim drohen sie mit der Auflösung des Ortsvereins.

Der Grund: Auf Antrag der Betreibergesellschaft HIM (Hessische Industriemüll GmbH) sollen in der Sondermüllverbrennungsanlage (SVA) im südhessischen Biebesheim demnächst 1.000 Tonnen giftige Lösungesmittel aus Italien verbrannt werden. Jahrelang hatten BürgerInnen und KommunalpolitikerInnen gegen die Absicht der früheren CDU/FDP-Landesregierung protestiert, der HIM den Antrag auf die Errichtung eines dritten Giftmüllverbrennungsofens zu genehmigen. Die Natur- und Umweltschützer befürchteten einen noch höheren Schadstoffniederschlag und eine zusätzliche direkte Beeinträchtigung ihrer Gesundheit.

Mit dem Regierungswechsel 1991 war das Projekt dritter Ofen gestorben. Die Euphorie in Biebesheim war danach so groß, daß Thomas Rahner von den Bündnisgrünen in Biebesheim zum ersten grünen Bürgermeister einer hessischen Kommune gewählt wurde. Und die BI-Aktivistin Ursula Hamann schaffte 1995 überraschend den Sprung in den Landtag. SPD und Bündnisgrüne führten nach dem Machtwechsel die Sondermüllabgabe für die chemische Industrie ein, das Giftmüllaufkommen in Hessen ging drastisch zurück – und die HIM klagte permanent über die Nichtauslastung ihrer beiden Verbrennungsöfen. Noch unter Umweltministerin Iris Blaul (Bündnisgrüne) wurde für die Region ein Biomonitoring beschlossen, um die tatsächliche Belastung der Bevölkerung mit Schadstoffen aus den beiden Öfen der HIM ermitteln zu können.

Daß jetzt ausgerechnet die amtierende bündnisgrüne Ministerin in Wiesbaden den Giftmüllimport aus Italien nach Biebesheim genehmigte, hat in der Region für Enttäuschung und Verbitterung gesorgt. Die Sozialdemokraten im nahen Gernsheim haben eine Unterschriftenaktion gegen die Genehmigung initiiert und im Stadtparlament eine Resolution eingebracht, in der Nimsch aufgefordert wird, die Genehmigung zu widerrufen. Bürgermeister Thomas Rahner von den Bündnisgrünen und seine Parteifreunde in Biebesheim drohen gar mit der Auflösung des Ortsvereins der Bündnisgrünen und mit kollektivem Parteiaustritt. Ein Gespräch am Dienstag in Wiesbaden zwischen Rahner und Entscheidungsträgern aus dem Umweltministerium und der Landtagsfraktion brachte keine Annäherung der Standpunkte. „Die Entscheidung ist nicht mehr rückgängig zu machen“, sagte Renate Gunzenhauser, Sprecherin im Umweltministerium, gestern. Das Hessische Abfallgesetz lasse Importe zu, wenn dadurch die Kapazität für die Verbrennung hessischer Abfälle nicht gefährdet werde.

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