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Rekruten planten den Rachefeldzug

Auftakt im Prozeß gegen fünf Männer, die Mitte März als Bundeswehrsoldaten in Detmold Ausländer mit Stichwaffen verfolgten. Sie wollten den „Türken“ sagen, „wo es langgeht“  ■ Von Jürgen Voges

Detmold (taz) – Wegen gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung und „Bildung eines bewaffneten Haufens“ mußten sich gestern fünf ehemalige Bundeswehrsoldaten vor der Jungendkammer des Landgerichts Detmold verantworten. Die den Rekruten zur Last gelegten ausländerfeindlichen Taten hatten Mitte März selbst Bundesverteidigungsminister Volker Rühe empört.

In Bundeswehruniform, vermummt, bewaffnet mit zwei Baseballschlägern und einem Klappspaten waren die fünf heute 20- und 21jährigen zusammen mit vier anderen Kameraden durch die Detmolder Fußgängerzone gezogen. Dabei hatte die Gruppe drei Ausländer angegriffen und verletzt. Die Opfer im Alter von 16 und 17 Jahren, so wurde in der gestrigen Verhandlung deutlich, sind dabei nur zufällig Opfer des alkoholisierten Trupps geworden.

Die fünf Angeklagten, von denen drei aus den neuen Bundesländern stammen, saßen bis gestern in Untersuchungshaft. Sie gestanden, daß sie an jenem Abend eigentlich auf Rache gegen eine Gruppe türkischer Jugendlicher sannen – doch diese „Türken“ fanden sie nicht. Alle beteiligten Soldaten, von denen sechs inzwischen aus der Bundeswehr entlassen sind und von denen zwei nach eigener Aussage der rechten Szene angehören, hatten seinerzeit ihren Wehrdienst verlängert; in Augustdorf bei Detmold wurden sie für den Bosnien-Friedenseinsatz ausgebildet. Bereits vier Tage vor dem Übergriff kam es in Detmold zu einer lautstarken Auseinandersetzung zwischen drei der Angeklagten und einer Gruppe von 10 bis 15 türkischen Jugendlichen. Sie seien dabei als Neonazis und Bundeswehrschweine beschimpft worden. Nach dem Vorfall, der vor der Jugendkammer von einer Rentnerin bestätigt wurde, beschlossen die nun Angeklagten, „den Türken zu sagen, wo es langgeht“. Dabei seien von vornherein „Handgreiflichkeiten“ einkalkuliert worden, gestand gestern der Angeklagte Christian F. ein.

Nach Angaben aller Angeklagten wurde der geplante Rachefeldzug vier Tage später doch eher spontan in die Tat umgesetzt – im Anschluß an eine Geburtstagsfeier, bei der sich vier der Angeklagten einen Alkoholpegel von gut zwei Promille antranken. Von ihren Opfern, die nach „südländischem Aussehen“ ausgesucht wurden, wollten die Angeklagten dann in der Detmolder Innenstadt nach eigenen Angaben wissen, „wo die Türken sind“. Dabei wurde der 16jährige Salvatore F., der dem Trupp gleich zweimal über den Weg lief, von den Angeklagten Mirko A. mit einem Messer am Hals bedroht. An der Mißhandlung von zwei türkischen Jugendlichen, die ebenfalls geschlagen und getreten wurden, sollen sich nach Aussage der beiden Opfer alle fünf Angeklagten beteiligt haben. Einer der jungen Türken wurde nach eigenen Angaben deswegen in die Mangel genommen, weil er die Rekruten beschwichtigend als „Kollegen“ ansprach, was die damaligen Soldaten als Beleidigung auffaßten.

Die Opfer habe keine schweren Verletzungen, sondern vor allem Prellungen davongetragen. Sie berichteten gestern aber von psychischen Folgen, beispielsweise von Angstzuständen nach den Mißhandlungen. Ein Urteil der Jugendkammer wurde gestern für den späten Abend erwartet.

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