: Rassistische Pöbelei – nur einer sieht weg
■ Hamburger Aktionswoche gegen Ausgrenzung mit „stillem Theater“beendet
Zwischen Reeperbahn und Stadthausbrücke – die S1 rattert über die Gleise. Christopher ist auf der Fahrt zum Jungfernstieg. Gelangweilt blickt der Schwarzafrikaner aus dem Fenster, als die Monotonie plötzlich durchbrochen wird: Eine Frau betritt das Abteil und steuert zielstrebig auf ihn zu. Er solle gefälligst aufstehen, herrscht sie ihn an, und daß Afrikaner den Deutschen nicht die Sitzplätze wegnehmen sollten. Empörung im Abteil, nur der Sitznachbar blickt weg: Und das, so die Mitreisende Sabine Koch, soll Johannes Kahrs gewesen sein, SPD-Bezirksabgeordneter und Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses im Bezirk Mitte.
Das bewußte Wegschauen bleibt an diesem Mittwoch nachmittag ein Einzelfall. Immer wieder wird Christopher positiv überrascht, daß sich die Fahrgäste auf seine Seite stellen. Immer wieder befindet er sich in derselben Situation. Denn was niemand wußte: Der Schwarzafrikaner ist Mitglied einer Theatergruppe, die mit den Mitteln des „unsichtbaren Theaters“den alltäglichen Rassismus und mögliche Gegenwehr thematisiert.
Bei der am Wochenende ausgeklungenen Aktionswoche „Die Stadt gehört allen – Gegen Ausgrenzung, Privatisierung des öffentlichen Raums und Sicherheitswahn“inszenierte die Gruppe eben jene Pöbelszene insgesamt siebenmal. Conny Gunßer, die die Rassistin spielte: „Einmal wurde ich beinahe aus dem Abteil geworfen, man drohte mir mit der Polizei.“Aus dem Rahmen fiel daneben die Fahrt von Altona zum Jungfernstieg, auf der die Mitspielerin Koch den SPDler Kahrs als teilnahmslosen Sitznachbarn erkannt haben will. Der Sozialdemokrat war am Wochenende für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Zum Abschluß der Aktionswoche, die maßgeblich vom Hamburger Flüchtlingsrat und dem Bündnis gegen Armut und Ausgrenzung vorbereitet worden war, wurden in der Innenstadt EinkaufsbummlerInnen mit den Auswirkungen der verschärften Sicherheitspolitik der Stadt konfrontiert. In der Spitalerstraße versperrten ihnen am Samstag mittag uniformierte Sicherheitsbedienstete den Weg: Die PassantInnen würden immerhin die Visitenkarte der Stadt betreten und müßten deshalb bitte Verständnis dafür aufbringen, daß das nicht jedem erlaubt werden könne.
Ein Fragebogen sollte aussieben: „Wollen Sie nur gucken oder auch einkaufen?“„Wie würden Sie selbst Ihre äußere Erscheinung beschreiben?“Ein Teil der Befragten gab erstaunlich bereitwillig Auskunft. Nach rund 20 Minuten löste die Polizei die Straßensperre und damit die Abschlußveranstaltung der Aktionswoche auf.
Elke Spanner
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