Zweitstimmenkampagne möglich

■ Grüne bereiten sich auf den Bundestagswahlkampf vor: Absprachen mit der SPD sind denkbar, aber nicht zwingend

Bonn (taz) – Die Grünen wollen im Bundestagswahlkampf ihre Basis und ihre Wähler mit der Warnung vor einer möglichen Großen Koalition mobilisieren. Das erklärte ihr Vorstandssprecher Jürgen Trittin, der in Bonn die Strategie seiner Partei für den Wahlkampf vorstellte. „Getrennt marschieren, vereint siegen“: Mit diesem Slogan umriß Trittin, welche Haltung die Grünen gegenüber der SPD einnehmen wollen. Seine Partei müsse sich mit eigenen Inhalten auch von den Sozialdemokraten abgrenzen: „Das darf man allerdings nicht überstrapazieren.“

Wahlabsprachen mit den Sozialdemokraten wird es voraussichtlich nicht geben. Allerdings wollen die Grünen auf eine gezielte Zweitstimmenkampagne setzen – davon profitieren dann möglicherweise in einigen Wahlkreisen SPD- Kandidaten, denen Wähler der Grünen ihre Erststimme geben.

Jürgen Trittin, der zum linken Flügel seiner Partei gehört, ist beim Thema Wahlkampf um moderate Töne bemüht. Es gehe darum, realistische Erwartungen zu wecken „was in vier Jahren machbar ist“. So sei jede Bundesregierung in vielen Bereichen an Verträge gebunden, die sie auch einhalten müsse. Trittin erläuterte seine Position am Beispiel der Atomenergie: Selbst eine grüne Alleinregierung, mit der ja nicht zu rechnen sei, bräuchte für einen Ausstieg „etwa zwei Jahre“.

Inhaltlich wollen sich die Grünen als „Modernisierungspartei“ profilieren. Ihnen werde mittlerweile eine „hohe Reformkompetenz“ zugebilligt, meinte Trittin. Ein Problem sei allerdings, daß einige Konzepte wie der Entwurf für eine Steuerreform bei Teilen der Basis noch nicht detailliert genug bekannt sei. Nach Ansicht des Vorstandssprechers bleibt dafür aber noch Zeit. Er rechnet nicht mit einem Bruch der Koalition und vorgezogenen Bundestagswahlen.

Schwerpunkte des Wahlkampfs sollen die ökologische Modernisierung der Gesellschaft, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, der Kampf um Bürgerrechte und die Reform der sozialen Sicherungssysteme sein. „Wir müssen den Sozialstaat reformieren, um ihn zu verteidigen“, sagte Trittin. Er wiederholte die grüne Forderung nach weitgehender Abschaffung des Berufsbeamtentums. Es soll „einem zügigen Ende zugeführt“ werden, indem bei Neueinstellungen nur noch Angestelltenverhältnisse begründet werden. Ausgenommen davon sollten nur Polizei und Strafvollzug sein.

Die Grünen werden für ihren Wahlkampf etwa 20 Prozent weniger Geld haben als 1994. Das neue Parteienfinanzierungsgesetz habe den Etat insgesamt schrumpfen lassen, erläutert dazu die Bundesgeschäftsführerin Heide Rühle. Außerdem hätten die Grünen als einzige Partei eine dezentrale Mittelverwaltung. 80 Prozent des Geldes gehen direkt an die unteren Ebenen der Partei. „Unser großes Problem ist, daß wir mit einer Großkampagne nur landen, wenn die Kreisverbände dafür bezahlen“, sagt Heide Rühle.

Konkret bedeutet das: Die Bundespartei kann zwar Plakate entwickeln, aber die Kreisverbände müssen sie aus eigenen Mitteln der Partei abkaufen. Damit sie das tun, müssen sie denen auch gefallen. Die Grünen sind also im Wahlkampf noch stärker als andere Parteien von der Mobilisierung ihrer Basis abhängig. Bettina Gaus