: CSU fällt Waigel in den Rücken
■ Die bayerischen Kritiker des Finanzministers verlangen Nachverhandlungen vor der Einführung des Euro
Nürnberg (taz) – Wenige Tage vor dem EU-Gipfel in Amsterdam stehen die Euro-Skeptiker unter Hochdruck. Kurt Faltlhauser, Chef der bayerischen Staatskanzlei, verlangt Nachverhandlungen zum Abschluß der Wirtschaftsunion, um den Zuzug von Ausländern begrenzen zu können. Außerdem solle die EU keine Zuständigkeit für europaweite Beschäftigungsprogramme erhalten. Notfalls dürfe Deutschland den Maastricht-II-Vertrag eben nicht unterschreiben.
In Bonn stellte CSU-Landesgruppenchef Michael Glos den Zeitplan für die Einführung des Euro in Frage. Verantwortlich für die Verzögerung sei die neugewählte französische Regierung. Das Linksbündnis in Paris sollte „sich nicht dem Verdacht aussetzen, den Zeitplan, wenn nicht die gemeinsame europäische Währung überhaupt, in Frage stellen zu wollen“. Eine Aufweichung der Euro-Kriterien werde die CSU „nicht zulassen“.
Angesichts dieser beiden Äußerungen kann sich Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber ins Fäustchen lachen. Mehr oder weniger offen redet Stoiber seit Wochen einer Verschiebung der Währungsunion das Wort, sehr zum Ärger des CSU-Parteivorsitzenden und Bundesfinanzministers, Theo Waigel. Während Waigel unermüdlich vor den „verheerenden Folgen“ einer solchen Verschiebungsdebatte warnt, betont Edmund Stoiber immer wieder, daß eine „Aufweichung der Konvergenzkriterien katastrophale Folgen“ habe und die „Stabilitätskriterien wichtiger als der Zeitplan“ seien.
Noch deutlicher wird Bayerns Sozialministerin Barbara Stamm. Sie wisse nicht, „wie die Kriterien noch erreicht werden sollen“. Auch Ursula Männle, Bayerns Ministerin für Bundesangelegenheiten, hält eine Änderung des Euro- Zeitplans durchaus für möglich. Sie wirft gar einen Rücktritt Waigels in die Waagschale, sollte die Union sich nicht mit der FDP über mögliche Steuererhöhungen einigen.
CSU-Chef Theo Waigel steht in den eigenen Reihen mit dem Rücken zur Wand. Seine stereotype Interpretation „3,0 ist 3,0“, die immergleiche Beschwörung der unveränderbaren Verschuldungsgrenze bei Einführung des Euro, bringt ihm bestenfalls noch höflichen Applaus, aber immer öfter harsche Kritik ein. Sein Besuch beim SPD-Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt und die mißglückte Neubewertung der Goldreserven, wird Waigel in internen Sitzungen inzwischen unverblümt als „taktische Dummheit“ oder „Trickserei“ angekreidet.
Das ist nicht alles. Ernst Michl, Chef des Haushaltsausschusses des Bayerischen Landtags, erklärte, die Bonner Haushalts- und Finanzpolitik sei „rational überhaupt nicht mehr zu fassen“. Und Stoiber belehrte seinen Parteichef, er solle die „Mark als nationales Symbol“ mehr achten und nicht „Ängste bei der Bevölkerung“ schüren.
Waigels trotziger Kommentar nach dem Gewinn der Vertrauensabstimmung im Bundestag, das Leben werde nun „unbeirrt weitergehen“, kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß damit eine neue – und vielleicht letzte – Runde im CSU-internen Machtkampf zwischen Stoiber und Waigel eingeläutet ist. Die alten Rivalitäten, die beim Parteitag im April nur mühsam unter den Teppich gekehrt werden konnten, sind wieder aufgebrochen. Da kommt den Waigel-Rivalen der Sieg der Sozialisten in Frankreich gerade recht. Lionel Jospin weiche den Stabilitätskurs auf, heißt es im Stoiber- Lager. Damit mobilisiert man nicht nur gegen die Einführung des Euro, sondern demontiert gleichzeitig auch den Parteivorsitzenden.
Stoibers erneute Absatzbewegung von Waigel und Bonn hat im übrigen auch originär bayerische Gründe. Mit der Teilnahme der Freien Wähler an den Landtagswahlen 1998 wird die absolute Mehrheit der CSU wackeliger. Das Doppelspiel, in Bonn in der Regierung zu sitzen und deren Beschlüsse dann lauthals aus Bayern zu kritisieren, funktioniert nicht mehr, und der Freistaat hat seine lange währende Spitzenstellung als deutsches Wirtschaftswunderland längst eingebüßt. Bernd Siegler
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