: Fettnäpfchen-Training
■ Cornelia Storz und die Kunst, japanische Manager nicht zu kränken / Bremens jüngste Professorin lehrt Japanologie und Wirtschaft an der Hochschule Bremen
Einmal wartete sie in Tokio auf einen Interviewpartner, und weil es regnete, behielt sie ihren Mantel an. Das führte zu großer Verwirrung, weil „Mantel an“heißt, „Ich geh gleich wieder“. Auch wenn es regnet.
Ein Jahr lang konnte Cornelia Storz in Japan ihr Wissen um deutsch-japanische Fettnäpfchen vermehren – in der Zeit, als sie an der International Christian University in Tokio Japanisch und Wirtschaftswissenschaften studierte. Gestern hielt sie ihre Antrittsvorlesung an der Bremer Hochschule. Als neue Professorin für Wirtschaft, Gesellschaft und Sprache Japans. Sowie für die Vermeidung interkultureller Irritationen.
Hochschule Bremen, Fachbereich Wirtschaft, Studiengang „Angewandte Wirtschaftssprachen und Internationale Unternehmensführung“– hier ist die Stelle der jungen Wirtschaftswissenschaftlerin und Japanologin (mit 32 ist Cornelia Storz die jüngste Professorin in Bremen) angesiedelt. Bei der gestrigen Präsentation seiner neuen Kollegin wies der stellvertretende Fachbereichssprecher Detlef Schumacher stolz darauf hin, daß nunmehr die vierte Frau unter 39 männlichen Professoren ihren Dienst im FB Wirtschaft tut. Mit dem Ausruf „Aus dem Reservoir der Frauen schöpfen!“begründete Schumacher die frauenfreundliche Einstellungspraxis der Hochschule, die aber nichts mit dem Geschlecht, sondern ausschließlich mit der Qualifikation zu tun habe.
Darüberhinaus mußte die versammelte Presse erfahren, daß Herr Schumacher (im Gegensatz zu seiner als Professorin in Niedersachsen arbeitenden Gemahlin) noch kein einziges Forschungsfreisemester hatte. Daß Frau Storz nur eine C2-Professur innehat, was ihr übers Leben gerechnet gegenüber einer C3-Stelle einen Verlust in Höhe eines Einfamilienhauses einbringe. Man müsse schon, so Schumacher, Bremen-Fan sein, um hier arbeiten zu wollen. Cornelia Storz bekannte sich erwartungsgemäß dazu, die Stadt sympathisch zu finden. Obwohl sie aus Berlin stammt und in Bonn gelernt und gearbeitet hat (Magisterarbeit: „Distributionsstrukturen in Japan“).
Die erste Vorlesung der praktizierenden Bauchtänzerin und Sängerin wird eine Einführung in die japanische Wirtschaft sein. Allerdings werden ihre Studenten, angehende „Diplom-Wirtschaftsjapanologen“(eine Berufsbezeichnung, mit der viele Personalchefs noch ihre Probleme haben) wie auch interessierte Führungskräfte aus der Region und sogar mögliche Japantouristen, bei ihr ein „interkulturelles Training“absolvieren können.
Im interkulturellen Training lernt man nicht etwa dumpf wie aus dem Reiseführer, daß Frauen in Japan beim Essen tunlichst auf den Schneidersitz verzichten; daß man in einer Gesprächsrunde mit verschieden ranghohen Japanern unbedingt regelmäßig den Ranghöchsten anblicken soll; daß man Visitenkarten mit zwei Händen überreicht etc... Nein: Man lernt Sensibilität im Umgang mit Japanern. Verstehen, warum schweigende japanische Top-Manager in der Diskussionsrunde nicht pennen, sondern nachdenken; warum der Japaner seine Gedanken nicht kausal entwickelt, sondern dieselben nebeneinander stellt; und warum im japanischen Statement das Wichtigste am Schluß kommt, wenn der Westeuropäer schon lange nicht mehr hinhört.
Die Zahl der möglichen Mißverständnisse ist größer noch als die Zahl der zwischen Japanern und Deutschen nicht zustande gekommenen Geschäfte. Willkommen, Frau Storz!
BuS
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