: Betriebswirtschaft als Fetisch
■ Der Kulturpolitik-Experte Bernd Wagner kritisierte Kultur-GmbH-Pläne / Gutachtenauftrag an McKinsey?
Bernd Wagner ist ein zurückhaltender Mensch. Er spricht leise, geradezu monoton. Er liest Vorträge und hält sie nicht. Doch wenn einer wie Bernd Wagner, Projektleiter in der Kulturpolitischen Gesellschaft, sagt „ich habe Zweifel“, dann ist das ein geradezu vernichtendes Urteil. Leiselaut gesprochen am Donnerstag abend vor wenig Kultur- und mehr Verwaltungsleuten im Schlachthof in Sachen Kultur GmbH.
Eine umfassende Reform hat sich die von SPD und CDU geführte Landesregierung da vorgenommen. Neben dem Liegenschaftswesen und der Landesentwicklung soll auch die Kulturverwaltung umgeordnet und die Leistungen in Teilen privatisiert werden. Obwohl der reguläre Haushalt um immer wieder veränderte Beträge gekürzt wird, soll unterm Strich mehr Geld für die Kultur zur Verfügung stehen – von jeweils zehn Millionen Mark von 1998 bis 2000 ist die Rede. So zumindest hat's die Kultursenatorin Bringfriede Kahrs (SPD) noch im Frühjahr verkündet. Aus Vermögensverkäufen will sie diesen Topf speisen, erklärte sie damals. Konkretes ist bis dato unbekannt. Kulturpolitik wird zur Zeit mit virtuellem Geld gemacht. Man erhöht – vorzugsweise bei „klassischen“Einrichtungen – schon mal die Ausgaben und bringt die Bilanz mit einem – leeren – Topf „Einnahmen“in Deckung. Trotz dieser Rechnung mit vielen Unbekannten verhält sich die Szene weitgehend ruhig. Da paaren sich die leise Hoffnung auf die angekündigte Trendwende mit Angst und Resignation nach jahrelangen Spardebatten.
Würde Bernd Wagner anders auftreten, hätte er die Hoffnungen zerschlagen. Über die Kultur GmbH wolle er sich kein Urteil anmaßen, schränkte er im Schlachthof ein, um dann doch zu urteilen: „Nach den mir vorliegenden Informationen ist es keine Verwaltungsreform.“Was das ist, haben Städte wie Dortmund, Nürnberg oder Mannheim vorgemacht. Die haben auf die Einbeziehung und Motivation von VerwaltungsmitarbeiterInnen und kultureller Kundschaft gesetzt, klare Konzepte verfolgt und operative Ziele gesteckt. Davon sei in Bremen nicht viel zu erkennen: „Das Konzept und die Finanzierung sind höchst unausgegoren“, bilanzierte Wagner.
Gegen eine Reform habe er grundsätzlich nichts einzuwenden. Und auch nichts gegen betriebswirtschaftliches Denken oder die Hinzuziehung externer GutachterInnen. Allein in den Bremer Papieren sei viel von Wettbewerb und Standortfaktoren die Rede, „doch das Stichwort kulturelle Grundversorgung wird nur am Rande erwähnt“. Für Wagner Indizien für eine andernorts kritisierte „Fetischisierung betriebswirtschaftlicher Instrumentarien“, die PolitikerInnen häufig in den republikweit grassierenden Reformeifer treibt. Und noch ein Indiz nährt bei dem Kulturpolitik-Experten besagte „Zweifel“: Das Tempo, in dem die „Reform“schon zum nächsten Jahreswechsel vollzogen werden soll. „Diese Prozesse dauern Jahre.“
„Das Gutachten ist nur ein Anfang“, widerspricht der kommissarische Kulturamtsleiter Narziss Göbbel und verrät, daß die Unternehmensberatung McKinsey den Zuschlag erhält und voraussichtlich am kommenden Dienstag durch den Senat beauftragt wird. Am Kulturdrittel dieses umfangreichen und rund 4,5 Millionen Mark teuren Auftrags soll nach Göbbels Angaben außerdem noch die Firma Kulturplan teilhaben – unter ihrem Dach Fachleute, die ihr Renommée vor allem in Reformbegleitung von Bürgerhäusern erworben haben. Doch während sich Göbbel viel von dem Gutachten verspricht, hat Wagner auch hier „Zweifel“: „Es gibt viele brauchbare Gutachten, doch meistens ist nichts von den Vorschlägen umgesetzt worden.“Das Fazit: „Alle Reformansätze können nur greifen, wenn sie mit kulturpolitischen Zielsetzungen übereinstimmen.“
Und die sind in Bremen diffus. Da steht das Versprechen, die allseits bekannten Probleme wie konzeptloses Sparen oder mangelnde Planungssicherheit mit einem Streich aus der Welt zu schaffen und die Kulturförderung wenigstens in den nächsten drei Jahren zu erhöhen. Dagegen steht die Realität einer vollkommen ungeklärten Finanzierung und einer nur in Ansätzen erkennbaren inhaltlichen Konzeption. Zurückhaltende Menschen bekommen da schon mal so etwas wie „Zweifel“. ck
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