: Ein schlechter Fitz
Nichts aus Afrika und Asien, dafür aber Best of West: Ein Rückblick auf die „Top Ten“-Reihe des Fernsehfestivals Cologne Conference ■ Von Reinhard Lüke
Die Kamera im Landeanflug auf Hongkong. Dazu aus dem Off die Stimme eines offenbar schon gesetzteren Herrn, der a capella eine wehmütige Weise zum besten gibt. Während man noch über die ein bißchen unpassende Filmmusik räsonniert, steht da plötzlich ein wohlvertrauter Recke in einem Hörsaal am Pult und beeindruckt die Studentenschaft mit seinem inbrünstigen Gesang: Psycho- Schwergewicht Fitz auf Vortragsreise in Fernost. Ein hübscher Schnitt und eine nette Reminiszenz an die erste Folge von „Für alle Fälle Fitz“, die ebenfalls in einem Hörsaal begann. Damals warf Fitz seinen Studenten die buchgewordenen Ergüsse europäischer Denker in des Wortes wahrstem Sinne an den Kopf. Erstmals zu sehen gab's den dicken Freudianer im Polizeidienst damals bei den „Top Ten“ im Rahmen der Cologne Conference. Das ZDF kaufte anschließend die komplette „Cracker“-Reihe und landete damit das TV-Highlight 96.
Nun durfte Fitz mit „White Ghost“ zum zweitenmal jene Best- of-Reihe des Kölner Fernsehfestes eröffnen, die sich während der vergangenen Jahre als doch einigermaßen verläßliche Spürnase für die Rosinen im großen Kuchen des internationalen Fernsehschaffens erwiesen hat. Auch diesmal hatte das Team um Ober-Conférencier Lutz Hachmeister aus rund 800 Produktionen aus 34 Ländern eine Auswahl getroffen, die weit über dem Level der flimmernden Alltagskost lag. Da Osteuropa, Asien und Südamerika (und was guckt eigentlich der Afrikaner außer „Dallas“?) traditionell außen vor blieben, gestaltete sich die Reihe allerdings wieder mal zu einem Best of West. Machen denn die anderen Gegenden nur Blödsinn, oder scheitert deren Aufnahme womöglich schlicht an Sprachbarrieren bei der Auswahlkommission?
Mit vier Produktionen waren die Briten diesmal vorneweg – wobei Fitz definitiv nicht zu den Highlights gehörte. Fernab von Manchester, Familie und Penthesilea, fehlt dem Krimi das vertraute Beziehungsdurcheinander. Vielleicht ist die Figur aber auch einfach ausgereizt und der Entschluß von Fitz- Darsteller Robbie Coltrane, nur noch diese eine Episode zu machen, ein überaus weiser. Das ZDF sendet den Film zum Jahresende und wiederholt vorher alle alten Folgen. Ohne jene ruchlosen Beschneidungen, die man ihnen bei der Erstausstrahlung angetan.
Als weitere Enttäuschung entpuppte sich der Pilotfilm der US- Serie „Millennium“ von „Akte X“-Macher Chris Carter. Humorlose Mystery-Horror-Soap mit schwer verträglichem Gesülze (demnächst bei Sat.1). Weit besser kamen da schon die ziemlich andere britische Krankenhausserie „Reckless“ und vor allem der Pilot zu „Once a Thief“, der ersten Fernseharbeit von Honkong-Regisseur John Woo, der hier mit Witz und Tempo seine bewährten Zutaten zu einem überaus bekömmlichen Krimi verrührte (von Pro7 gekauft).
Das Highlight in Sachen Fiction war in Köln jedoch fraglos die CBS-Serie „EZ-Streets“: Detective Cameron Quinn im Undercover-Einsatz gegen die skrupellose Iren-Mafia. Raffiniert verwobene Handlungsstränge, stimmige Vorstadttristesse, wunderbar schräge Typen, versierte Mimen und rasante Kamerafahrten, wie man sie sonst nur aus den Lichtspieltheatern kennt. Mit diesem Juwel könnte sich Einkäufer RTL endlich mal wieder ein paar Meriten in Sachen Flimmerkultur erwerben. Quote wohl weniger.
Aber bisweilen versenden ja selbst kulturtragende Anstalten echte Rosinen quasi unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Beispiel „Nick Leeson“. Das süffisant-ironische Porträt jenes Jüngelchens, das die altehrwürdige Baring's- Bank ruinierte, lief am Samstag im Rahmen der „Top Ten“ und nur einen Tag drauf bei arte um 0.20 Uhr zum Abschluß eines „Gauner“-Themenabends.
Und wer sagt eigentlich, daß Amis nicht ordentlich Geschichte können? „The Man Who Captured Eichmann“, eine ebenso detailgenaue wie packende Nachstellung der Entführung Adolf Eichmanns durch den israelischen Geheimdienst (in der Hauptrolle: Hollywoodstar Robert Duvall), gehörte fraglos zu den Highlights in Köln. Heinrich Breloers Dokudrama „Todesspiel“ um den deutschen Herbst 77 gab's auch zu sehen. Der Zweiteiler wird zur Ausstrahlung – 24./25.6., ARD – in der taz eine umfassende Würdigung erfahren. Und dann war da bei den „Top Ten“ noch die britische Kochreihe „Antonio Carluccio's Italian Feast“. Eine überaus sinnliche Angelegenheit, nach der Bio eigentlich sofort den Löffel abgeben müßte und die vor allem eines machte: Hunger! Wenn das Catering bei der Cologne Conference nur halb so gut gewesen wäre wie die Filme...
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen