■ Bonn apart: Mit Mandela auf Rolle
Schon mal mit einem dieser zweibeinigen, rasant-riskanten, arm- und schienbeinbewehrten Rowdies zusammengestoßen? Sich dabei schon die dritten Zähne eingehandelt und nur knapp der Querschnittslähmung entronnen?
Skater nennen sich diese rollenverwachsenen Zombies, was so harmlos klingt wie Radler, Safer Sex oder Skatspieler. Doch niemand weiß, wie viele Menschen nur deshalb einem Herzinfarkt zum Opfer gefallen sind, weil einer dieser Irrwische ihnen in der vermeintlichen Sicherheit der Fußgängerzonen den finalen Schrecken eingejagt hat.
Wer glaubt, hier handle es sich um die Übertreibung eines durchgeknallten Journalisten, der zu häufig einem Skater unter die Räder kam, irrt. Bild-Leser Dieter Scholz schreibt: „Skater sind gedankenlos, allgemeingefährlich und unverantwortlich.“ Na bitte!
Höchste Zeit also, daß Politiker, die noch an der Halsschlagader des Volkes sitzen, diesem Spuk ein Ende bereiten. Dionys Jobst, übernehmen Sie! Im vergangenen Jahr hatte der rührige Bundestagsabgeordnete aus Bayern gefordert, Skater aus Fußgängerzonen zu verbannen. Zur Freude der Bestattungsindustrie wurde sein Vorstoß ignoriert.
Aber einer wie Dionys Jobst gibt nicht auf. In diesem Jahr fordert er gewitzt, Skating auf öffentlichen Straßen zu erlauben. Dann nämlich brauchten die Skater nicht mehr in den Fußgängerzonen und auf Bürgersteigen zu fahren. Nebenbei, ein hübscher Nebeneffekt wäre, daß ihre Zahl auch durch den Autoverkehr reduziert wird.
Doch auch dieser Plan wird scheitern. Die Skater-Industrie hat aufgepaßt. Rechtzeitig hat sie ihren Kunden einen Imagewechsel verschrieben, der sie so gut wie unantastbar macht. Am 15. Juni soll in Bonn vor 40.000 Besuchern das Projekt „One Globe, One Skate“ vorgestellt werden, das – ich schwör's – unter der Schirmherrschaft von Nelson Mandela steht. Jeder Skater wird also in Zukunft im Namen des Herrn als Antirassist unterwegs sein.
Vorgestellt wird das Projekt „in Anwesenheit eines prominenten Politikers“. Wer kann das sein? Der Inline-Skate-Beauftragte der Bundesregierung, Dionys Jobst, persönlich oder gar der designierte Präsident der Afrikanischen Nationalen Skater-Vereinigung, Nelson Mandela?
Fragt sich nur, ob der Betreffende auf Rollen erscheint. Sicherheitshalber fordern wir: Skate-Verbot für alle über 30. Markus Franz
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