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■ DFB-Pokal: Die Glotze im Dienst der deutschen EinheitVolkspädagogisches Trommelfeuer

„Vereinen statt spalten“ – das war die Wahlkampfparole von Bruder Johannes Rau im Jahre 1986 gewesen. Sie waltete nun als Leitstern der ARD über dem Pokalendspiel am letzten Sonnabend im Olympiastadion. Politically überaus correct, wo doch der Kampf zwischen Energie Cottbus und dem VfB Stuttgart zu einer Art Parabel für die Differenz der Lebensweisen wie der Einkommen im Verhältnis von Ost und West hochstilisiert worden war. Aber zentimeterdicke Himbeersoße verdirbt den leckersten Grießbrei. Als Gerd Rubenbauer gegen Ende des Spiels zum zehntenmal beteuerte, es gebe in diesem Spiel nur Sieger, wurde selbst dem naivsten Zuschauer klar, daß er unter schwerem volkspädagogischem Trommelfeuer lag.

Freimütig gestand ein anderer Reporter nach dem Spiel dem Ossi-Trainer Geyer, er habe bis vor kurzem Cottbus mit Chemnitz verwechselt. Damit sei es jetzt dank „Energie“ vorbei. Aber nicht nur Lernprozesse wurden großmütig eingeräumt. Auch von der Angleichung der Fußball-Lebensverhältnisse war die Rede. Ein schönes Sümmchen hätten die Cottbusser sich jetzt erspielt, gratulierte ein Journalist. Was sie damit zu tun gedächten? Muß alles in den Verein, antwortete enttäuschend, aber pflichtgemäß der angesprochene Ossi-Kicker. Also doch noch kein Ferrari für Irrgang. Schließlich mußten die Cottbusser Spieler auch noch für den weiteren ökonomischen Aufschwung der Cottbusser Region herhalten. Ob sich dank der Fußballeistungen schon neue Investoren gemeldet hätten? „Wer so gut kickt, kann auch gut arbeiten“, beschied der Cottbusser Bürgermeister hoffnungsfroh die Anfrage.

Dabei hatten Spieler wie Zuschauer im Olympiastadion ihr Bestes gegeben, um das Match nicht in ein Schlachtfeld rivalisierender „Identitäten“ zu verwandeln. Die Cottbusser verkniffen es sich, mit Bananen zu wedeln und Urlaute auszustoßen, wenn der Brasilianer Giovane Elber am Ball war, während die Stuttgarter darauf verzichteten, die überaus harten Zugriffe der Cottbusser Verteidigung als Ossi-Schweine- Gangart zu qualifizieren. David gegen Goliath klappte nicht, aber so schlecht sah Energie nicht aus. Cottbus-Trainer Geyer, vormals Coach der DDR- Auswahl und wirklich einigungsgeschädigt, brachte es auf den Punkt: „Wir hatten auch unsere Chancen, aber der Sieg Stuttgarts geht in Ordnung.“ Eine Einschätzung von gleich zu gleich.

Aber damit durfte es nach der Meinung der ARD seine Bewandtnis nicht haben. Alles war gut gemeint, aber heraus kam Paternalismus. Wie gehabt. Christian Semler

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