: Architekten zu Baustaatsräten
■ Architektenkammer fordert bundesweite Ausschreibung unter Fachleuten / Interview mit Kammerpräsident Wilfried Turk
Die Bremer Architektenkammer hatte die Nominierung Helmut Pflugradts zum Baustaatsrat harsch kritisiert. Kammerpräsident Wilfried Turk bemängelte vor allem die aus seiner Sicht fehlende fachliche Kompetenz. Er fordert als Baustaatsrat einen Architekten. Die taz sprach mit Turk über seine Forderung, über Probleme in der Bremer Stadtentwicklung (durch inkompetente Staatsräte?) und darüber, wen Turk selbst zum Baustaatsrat küren würde.
taz: Muß ein Baustaatsrat unbedingt Architekt sein?
Wilfried Turk, Präsident der Bremer Architektenkammer: Nach unserer Auffassung ja. Es geht darum, eine Bauverwaltung zu führen. Er muß den einzelnen Abteilungen fachlich Paroli bieten können, nicht nur politisch.
Wie war das denn in der Vergangenheit mit Staatsrat Baltes?
Das gleiche Problem. Es fehlte die Fachkompetenz. Man muß schlichtweg sagen, daß es seit dem Weggang von Senatsdirektor Kulenkampff keinen fachlich qualifizierten Baustaatsrat gegeben hat.
Könnte man sich auch einen Juristen oder Verwaltungsfachmann auf dem Posten vorstellen?
Nein! Es geht gerade jetzt darum, städtebauliche Konzepte und Ziele für Bremen zu entwickeln. Wir produzieren gerade jede Menge Bebauungspläne – etwa für einen Büropark am Achterdiek oder die Hemelinger Marsch auszuweiten, nicht zu vergessen Ocean- und Spacepark. Das alles läuft unter dem Primat Arbeitsplatzgewinnung und Gewerbeansiedlung. Dabei versucht man gleichzeitig die Innenstadt zu entwickeln und auf den Grünflächen noch Büroraum unterzubringen. Damit programmiert man mehr und mehr einen Exodus der Stadt.
Also weg mit dem Space-Park?
Man muß prüfen, wieviel Arbeitsplätze bei welchem Steueraufkommen für Bremen entstehen.
Was wäre ihre Alternative?
Ich muß zugeben, daß ich zur Zeit ebenfalls ratlos bin. Ich glaube aber, man muß zunächst diese abwärtsgerichtete Spirale stoppen. Immer mehr Flächen werden als Gewerbeflächen ausgewiesen. Die werden so aufbereitet, daß sie von Investoren quasi zum Nulltarif genutzt werden können. Damit verausgabt man sich immer mehr. Nehmen sie die Büromieten in der Innenstadt. Die sind auf einem Niveau wie normale Mietwohnungen. Außerdem ist es kein Problem Büroraum anzumieten. Daher sind Kapitalanlagen in Büroflächen momentan in Bremen sinnlos. Das beste Beispiel war der Bahnhofsvorplatz. Die potentiellen Investoren Bilfinger und Berger haben aufgesteckt mangels Nachfrage für das geplante Bürohochhaus. Das aktuelle Angebot reicht mehr als genug.
Die Planungen rund um den Bahnhofsvorplatz aus dem Bauressort waren also falsch?
Gemessen an der Nachfrage waren die schwachsinnig. Da kann man besser, wie bereits mal angedacht, ein Musicon auf dem Bahnhofsvorplatz bauen, als dies an den Nordausgang der Bürgerweide zu verbannen. Bei veränderter Straßenführung ist genug Platz vor dem Bahnhof vorhanden. Das könnte attraktive Stadtplanung sein.
Zurück zum Staatsrat – ist ein Politiker sinnvoll auf dem Posten?
Nein! Nicht für die Stadtentwicklung. Wenn ich mal spekuliere, wie das aus Politikersicht aussieht, mag es sinnvoll sein. Baltes konnte sich nie richtig durchsetzen. So wie ich Pflugradt kenne, hätte der das nötige Stehvermögen. Und mit einem starken Mann an der Seite würde natürlich auch Bausenator Schulte gestärkt. Das war offensichtlich die Intention der CDU mit der Nominierung Pflugradts.
Wen würden sie denn zum Baustaatsrat vorschlagen?
Ich würde niemanden vorschlagen. Ich würde die Stelle deutschlandweit ausschreiben.
Interview: Jens Tittmann
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