Pflugradt dankt ab

■ CDU-Fraktions-Vize und Beinahe-Staatsrat sieht Kampagne gegen seine Person und verzichtet aufs Amt / Bausenator sucht weiter nach neuem Stellvertreter

Der stellvertretende Fraktions-Chef und baupolitische Sprecher der CDU, Helmut Pflugradt, steht nicht mehr als Baustaatsrat zur Verfügung. Das teilte er gestern Bausenator Bernt Schulte (CDU) mit. Er habe gehofft, durch seine jahrzehntelange Erfahrung einen positiven Beitrag zur Bau- und Verkehrspolitik leisten zu können, schrieb er in einer persönlichen Erklärung. Begründung der Absage: „Durch eine Kampagne, die zum Teil ins persönliche geht, habe ich keine faire Chance, das Amt des Staatsrates unbeschwert auszuüben.“

Nach Angaben von CDU-Sprecher Guido Niermann wird Pflugradt seine Ämter in der Fraktionsführung weiterführen.

Bausenator Schulte nahm die Entscheidung mit Bedauern zur Kenntnis. Ein Nachfolger stehe noch nicht fest. Bis auf weiteres werde der amtierende Staatsrat Joachim Baltes das Amt behalten. Der sollte eigentlich gestern in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden.

Für den Rückzieher Pflugradts waren offensichtlich drei Faktoren ausschlaggebend. So hatte es starke Proteste unter anderem aus der Architektenkammer gegen den Kandidaten gegeben. Trotz seiner Erfahrung als baupolitischer CDU-Sprecher habe er nicht die Kompetenz, das komplette Bauressort zu leiten, hieß es vgl. Interview seite 22). Dazu sagte allerdings der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete und Vorsitzende der Jungen Union, Jens Eckhoff: „Zu behaupten, wenn du Politik machst, bist du nicht qualifiziert, ist absoluter Quatsch. Pflugradt kümmert sich seit 20 Jahren um die Baupolitik in Bremen. Das sollte genug Erfahrung sein. Zumal ein Staatsrat nicht nur Fachidiot, sondern auch eine Führungsperson sein sollte.“

Pflugradt ist aber nicht über die Kritik an seiner fachlichen Eignung, sondern über sein Privatleben gestolpert. Er war im September 1995 von einem 22jährigen Mann angezeigt worden, der nachts auf einer Polizeistation eine Anzeige „gegen Unbekannt“wegen sexueller Nötigung aufgegeben hatte. Der hatte angegeben, Im Zug aus Bonn, wo es eine CDU-Sitzung gegeben hatte, von einem Mann freundschaftlich bis nach Bremen-Nord mitgenommen und dann aber im Pool einer Villa nachts genötigt worden zu sein. Pflugradt schwieg anfangs zu dem Verdacht, er sei der „Unbekannte“. Als er durch den Mann identifiziert worden war, bestritt er den Vorwurf sexueller Gewalt. Das Ermittlungsverfahren gegen Pflugradt wurde eingestellt, da die Staatsanwaltschaft an der Glaubwürdigkeit des jungen Mannes zweifelte. Der junge Belgier hält seine Vorwürfe allerdings aufrecht und weist den Verdacht, er sei ein „Strichjunge“, von sich.

Für Beamte gilt ein Dienstrecht, nach dem sie ein vorbildliches und untadeliges Leben zu führen haben. Wäre Pflugradt also jetzt als Staatsrat verbeamtet worden, wäre sein Verhalten im Rahmen disziplinarischer Vorermittlungen auf Untadeligkeit überprüft worden.

Zudem bestätigten mehrere CDU-Fraktionsmitglieder gegenüber der taz, daß innerhalb der Partei Stimmen laut geworden seien, die mit Austritt aus der CDU gedroht hätten, falls die CDU Pflugradt zum Staatsrat gemacht hätte. Dies kommentierte der JU-Vorsitzende Eckhoff mit den Worten: „Auf Mitglieder, die Probleme mit dem Privatleben eines Politikers haben, können wir verzichten.“

Die anderen Parteien hielten sich zu Pflugradts Rückzieher bedeckt. Die AfB bezeichnete die Personaldebatte als „peinliches Politikschauspiel“. Die Grünen forderten eine „Rückkehr zur Sacharbeit“. Die SPD wollte die CDU-internen Personalfragen nicht kommentieren. Jens Tittmann